Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
Vom Netzwerk:
glänzenden Ruf gänzlich unangemessenes Handgemenge. Caspar Schoppe, hochaufgereckt auf Zehenspitzen stehend und den anderen drei ohnehin an Körpergröße überlegen, hielt das Blatt in eine für sie unerreichbare Höhe, während sie ihn bestürmten wie |192| Hunde und Katzen, die sich mit den Vorderpfoten auf den Gast einer Taverne stürzen, dem der Wirt soeben ein schönes, duftendes Brathuhn serviert hat. Alsbald hielt Schoppe dem Ansturm nicht mehr stand, und das Blatt fiel ihm aus der Hand, glitt zu Boden, wo du, junger Atto, es flink aufhobst und meiner Wenigkeit reichtest, was dir einen Streit mit den vier exaltierten Gelehrten ersparte.
    »Ich bitte Euch, Messeri!«, versuchte ich sie zu beschwichtigen, derweil ich mir das Papier unter die Jacke steckte, damit das Streitobjekt begehrlichen Blicken entzogen wurde und die Gemüter sich abkühlten. Die beiden Korsaren hatten der Szene mit offenem Munde beigewohnt, da sie absolut nicht begreifen konnten, warum hier so hitzig um ein altes Stück Papier unbekannter Herkunft gestritten wurde, das in einer verlassenen Festung lag.
    »Dann sagt uns wenigstens eines!«, rief Guyetus mit anklagender Miene aus. »Wie habt Ihr dieses Papier gefunden?«
    »Das habe ich doch schon gesagt, zum Donnerwetter!«, antwortete Malagigi beleidigt. »Mein Blick war auf eine alte Truhe im Erdgeschoss des Turms gefallen. Sie stand offen, ich sah hinein, und da lag das Blatt.«
    »Warst du denn nicht auch losgegangen, den Turm zu erkunden?«, fragte Schoppe, Naudé zum ersten Mal duzend.
    »Natürlich«, antwortete der Bibliothekar, »doch als ich hörte, dass die anderen Nahrungsmittel gefunden hatten, bin ich hierhergelaufen. Ich glaube, Signor Pasqualini war aufmerksamer als ich, da er auch die Truhen untersucht hat.«
    »Ich habe ebenfalls bemerkt, dass eine Truhe offen stand«, fügte ich hinzu, da ich mich verpflichtet fühlte, Naudé zu verteidigen, »aber ich hatte keine Gelegenheit, etwas zu entdecken, denn gerade als ich in die andere hineinschaute, hörte ich euch rufen und bin hierhergeeilt.«
    »Verzeiht mir die Einmischung, Monsire Naudé, darf ich Euch eine Frage stellen?« Taktvoll wandtest du, lieber Atto, dich an den Bibliothekar Mazarins, welcher tatsächlich erst jetzt die puterrote Gesichtsfarbe verlor, die er während des Kampfes um den Besitz des Papiers angenommen hatte.
    »Na gut, bitte sehr«, antwortete dieser, den Kragen seiner Jacke weitend, um den Druck der seelischen Anspannung zu mindern.
    »Ihr und Eure gelehrten Kollegen«, hubst du an, »seid die größten Experten für antike Schriften. Könnt Ihr uns erklären, was es mit diesem Blatt auf sich hat?«
    |193| Ich zog das kostbare Papier unter der Jacke hervor und reichte es Naudé. Hardouin, Schoppe und Guyetus kamen näher, um hineinzuspähen, freilich nicht ohne noch einen letzten bösen Blick zu wechseln.
    »Meiner Meinung nach gibt es keinen Zweifel«, begann Naudé, »es könnte durchaus ein Stück des
Satyricon
von Petronius sein, in dem ein gewisser Trimalchio vorkommt. Petronius, Signori! Ist euch bewusst, aus welch fernem, überaus noblem Altertum dieses Fundstück stammt?«
    »Wann hat Petronius gelebt?«, fragtest du.
    »Frag doch diesen Betrüger Scaliger«, entgegnete Schoppe. »Er hat ja sogar bis dato unbekannte Fragmente des
Satyricon
neu angeordnet.«
    »Meine Güte, Caspar, wie kannst du es wagen, Scaliger noch nach seinem Tod einen Betrüger zu nennen?«, tadelte ihn Guyetus, ebenfalls zum Du übergehend, als hätte die Entdeckung der alten Handschrift sie alle zu Brüdern gemacht.
    »Ich habe es ihm oft gesagt, als er noch lebte, und er hat mir nie geantwortet, also wird er auch jetzt nichts dagegen einzuwenden haben. Und wo ich schon einmal dabei bin, sage ich auch, dass es kein Zufall ist, wenn Scaliger seine Kompilation nie veröffentlicht hat. Er brüstete sich, den ursprünglichen Zustand des
Satyricon
wiederhergestellt zu haben, aber die vier alten Handschriften, die ihm angeblich dazu dienten, sind zufällig unauffindbar. Er war eben nichts anderes als ein betrügerischer Prahlhans.«
    Naudé hob trostsuchend die Augen zum Himmel und fuhr fort:
    »Wie ich schon sagte, wenn dieses dürftige Stück Papier wirklich Petronius ist, Signori, dann wird die gesamte Gelehrtenrepublik uns beglückwünschen, weil wir es gefunden haben. Und wenn wir auch den Rest finden, wird unser Andenken in den Schriften der Ingenien für immer bewahrt werden, auch noch in vier oder fünf

Weitere Kostenlose Bücher