Das Mysterium Des Himmels
uns das Licht, so wie wir es in schönen Zeiten bewundert haben. Nun lasst die dunkle Zeit über uns kommen, die Kahlheit der Felder und die Kälte der Tage. Wir wollen alles ertragen, weil wir hoffen. Unsere Hoffnung liegt in der Wiedergeburt der Sonne zur nächsten Winterwendezeit, wenn der Sonnenschein weit über uns sein Zauberlied singt und die Mutter Erde uns die Früchte des Frühlings beschert. Heilige Sonne, wir beten zu dir, so wie wir das Sonnenkind anbeten werden, das die Götter uns zur nächsten Wendezeit in die Wiege legen mögen. Wind, Wasser und Erde, wir lauschen und wir schweigen.«
Die Lautlosigkeit des Himmels ließ Ekuos nicht kalt. Sein Herz zog sich zusammen und schlug heftig. Es wollte einfach nicht richtig hell werden. Sollte es nun zu Ende gehen? Der Wind wischte den Himmel sauber und ein schmaler Lichtstreifen fiel durch die rautenförmige Öffnung im Dach direkt auf eine Schüssel aus purem Gold, die auf einem Steinaltar ruhte und zu der nun alle Anwesenden hinsahen.
Talale die Seherin, die weisen Frauen und Männer und auch Ekuos sahen das Licht, aber noch wagte niemand eine Deutung. Noch war es zu früh, um die kommende Zeit vorauszusagen. Plötzlich verdunkelte der Himmel sich und ein leichter Regen folgte. Endlich war es so weit. Die Sonne füllte leuchtend die goldene Schüssel bis an den Rand und Talale erhob sich. Die Türen wurden geöffnet und die weißen Raben stiegen vom Dach hoch in die Luft hinauf.
Amadas war mit Matu den Berg hinaufgestiegen, bis die Sonne sich endlich gezeigt hatte und nun warf er einen Blick in das Innere der Burg. Er hatte geglaubt, dieses Gebiet wäre ein heiliger Bezirk und dürfte nur von Auserwählten betreten werden, aber dem war nicht so. Nur Talale und den Frauen und Männern in ihren langen Kleidern sowie dem Tempel durfte sich niemand nähern. Amadas schaute aus der Höhe über das Land und atmete tief ein. Diese Burg beeindruckte ihn sehr, auch wenn an vielen Teilen von ihr noch gearbeitet werden musste. Der Ausblick allein imponierte ihm. Sie zeugte von hoher Baukunst. Er drehte sich um und lief an der Mauer entlang, die nach Norden noch ausgebaut werden sollte. In seinem ganzen Leben hatte er keinen solchen Wald gesehen. Es gab hinter dem Flussufer Wälder, so weit man sehen konnte. Aber wo war die Stelle, an der die Feinde in den Wald eingedrungen und nach Norden gezogen waren? Wie konnte sich überhaupt ein menschliches Wesen in diese unheimliche Welt der Bäume hineinwagen? Wie sollten sie Atles und seine Freunde dort jemals finden können?
Matu gab Amadas ein Zeichen, weil sie die Burg wieder verlassen mussten. Den Rest des Tages wollten sie bei den Goldwäschern verbringen und Matu hatte einen Schwertschmied gefunden, der ihm eine Waffe anfertigen wollte. Ansonsten verbrachten sie den Tag still und würdevoll, so wie es alle anderen Leute auch taten. Noch hatte die Gnade der Götter nicht eingesetzt. In der Nacht zogen die Fischer einen Kahn in die Mitte des Flusses und zündeten ihn an. Der Feuerball schwamm eilig über das Wasser der Danau, gebannt staunten ihm die Menschen hinterher. Schwimm weit hinab, flüsterten sie, denn das Feuer sollte die Götter erfreuen.
Auch diese Nacht verging und zu aller Freude gab es wieder einen hellen Tag. Von den Mauern der Burg herab gab Talale das Zeichen für den Beginn der Festlichkeiten. Bevor sie dreimal um ein Feuer tanzten, banden sich die Menschen Girlanden aus verschiedenen Kräutern um die Fußknöchel. Amadas erkannte Beifuß und Eisenkraut, das nach dem Tanz in die Flammen geworfen wurde. Mädchen und Jungen kratzten die Asche der abgebrannten Sonnenwendfeuer zusammen und streuten sie über Gärten und Felder.
Auf der Burg war es still. Talale die Seherin schaute durch die Öffnung im Dach zum Himmel hinauf. Ekuos saß zu ihren Füßen und wartete. Sie hatte erkannt, dass seine Gedanken nicht dort waren, wo sie bei einem Auserwählten, wie er es war, zu sein hatten. Also hatte sie ihn befragt und erfahren, was mit Atles und den Freunden geschehen war. Seitdem schaute sie in den Himmel hinauf, während alle Anwesenden warteten. An diesem Tag der Feier und in der kommenden Nacht würde nichts geschehen, keine Entscheidung fallen. Doch bevor man sich zur inneren Ruhe zurückzog, erhob Talale sich, nahm ein Kreuz aus Eisen in die Hand und eine aus einem Stein des Berges gefertigte Eule, streckte die Arme aus und verkündete: »Wir werden die Feinde nicht durchkommen lassen. Einer von
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