Das Mysterium Des Himmels
Da die Mondwoche acht Tage hatte, waren sie also bereits seit sechzehn Tagen durch die Wälder geritten. Amadas war beeindruckt und es wunderte ihn nun nicht mehr, dass sein Rücken schmerzte. Er hatte den Lauf des Mondes nicht genau beobachtet. So lange hatte er noch nie auf einem Pferd gesessen. Als der Mond seine Reise fast beendet hatte, traten einige Frauen aus dem Wald und hockten sich neben einer Birke nieder. Amadas sah auf ihre Körbe. Er hatte schon häufiger beobachtet, dass Frauen, bevor der Mond seine volle Pracht entfaltete, in die Wälder gingen und etwas sammelten, das er auch jetzt wieder nicht erkennen konnte. Es musste etwas Besonderes sein, denn sie mieden die Nähe der Männer. Frauen hatten ihre Geheimnisse und sie verrieten sie nicht. Vielleicht war es sogar besser, manchmal die Augen zu verschließen. Über andere Menschen würde man nie alles erfahren, das war eine seiner Reiseerfahrungen.
Amadas hatte nichts gehört. Plötzlich riss Matu den Kopf herum und sprang auf. Amadas folgte ihm nach und entdeckte bei den Bäumen eines der Mädchen. Sie lief vor ihnen auf die Lichtung mit den toten Feinden. Talale und Ekuos standen vor einem Bündel. Als Amadas näherkam, erkannte er einen schmächtigen Burschen. Sie hatten also tatsächlich einen Gefangenen gemacht. Aber darum ging es ihm nicht. Mit den Schwertern in den Händen huschten sie zwischen den Bäumen umher und erreichten den Waldrand. Die Feinde hatten nur zwei Posten aufgestellt. Die anderen schliefen um ein Feuer, das das Flussufer hell erleuchtete. Die Griffe ihrer Waffen fest umklammernd, stürmten sie vor und Amadas zog sein Schwert aus dem Schädel eines Feindes, der tot vor ihm lag. Matu atmete schwer, taumelte etwas und fiel dumpf auf den Boden, direkt neben den von ihm getöteten Feind. Es war ein schnelles Töten geworden. Wer von den Feinden noch zuckte, dem stießen die Frauen ihre Speere in die Brust. Amadas ließ sein Schwert los und es fiel seitlich auf den Boden. Er ließ sich langsam auf die Knie sinken und starrte Matu an, der vor ihm lag. Er öffnete die Kleidung über der Brust, aber es gab dort keine Wunde. Es gelang ihm nicht, den schweren Körper auf die Seite zu drehen. Mit einem Mal kam vom Wasser eine Schlange auf ihn zu und verschwand unter einem Busch. Unerwartet für ihn zogen sich alle anderen zurück. Sie ließen ihn mit Matu allein. Da erinnerte er sich daran, dass sie die Schlange für ein Wesen hielten, das sich häutete, starb und wiedergeboren wurde. Ihr Vergehen und ihr Werden hatten sie offenbar auf Matu übertragen und ihn für tot gehalten. Die Schlange war wie der Regenbogen, die Verbindung zwischen Himmel und Erde, und sie wurde wegen ihrer Fruchtbarkeit verehrt. Die Kräuterfrauen und Heilerinnen trugen Schlangenamulette um den Hals. An all das dachte Amadas, aber es half ihm in seiner Lage nicht, denn Matu war nicht tot. Er lag mit offenen Augen am Boden und sein Gesicht zuckte. Jetzt sah Amadas die kleine Wunde direkt über der Schläfe. Er lief zu einem Strauch und pflückte einige Blätter, tauchte sie in das Flusswasser und presste sie auf die Wunde. Es dauerte einige Zeit, bis Matu sich regte. Als er vorsichtig hochkam, da schaute er um sich, als hätte er soeben einen häufig auftretenden Traum endlich zusammenfügen können und zu guter Letzt erkannt, was dieser ihm bedeuten sollte. Matu strich sich leicht über die Stirn. Er bewegte sich unruhig und gab merkwürdige Töne von sich. Amadas betrachtete ihn still und überlegte, was da nun vor ihm lag. Für ihn würde es unmöglich sein, diesen schweren Mann bis zu den Pferden zu tragen. Was würde er machen, wenn die anderen nicht warteten? Matu bewegte sich wieder und Amadas schenkte ihm ein Lächeln. Würde man sie hier zurücklassen, könnte er die Hütten mit aufbauen und nach der geheimnisvollen Frau tauchen, die tief unten auf dem Grund des Flusses lebte.
»Sind wir schon zurück?« Matu sprach wie ein aus dem Schlaf Gerissener.
Amadas schüttelte den Kopf.
»Und was ist geschehen?« Matu saß inzwischen und stützte sich mit den Händen ab.
Ein Trupp Männer trat aus dem Wald. Sie gingen auf die Getöteten zu, schlugen ihnen die Köpfe ab und warfen die Körper in den Fluss. Drei Köpfe nahmen sie mit sich. Matu wollte sich ihnen anschließen, aber seine Kräfte reichten nicht. Kurz darauf kamen Männer mit dem Pferd von Matu. Sie hoben ihn mit vereinten Kräften auf das Tier und banden ihn fest, damit er nicht hinunterfiel.
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