Das Mysterium Des Himmels
Aber ein länglicher heller Streifen raste über den Himmel.
Er hatte noch keinen seiner Gedanken in die Tat umgesetzt, nicht einmal bewegt hatte er sich, geschweige denn Anstalten gemacht, sich zu erheben. Nur gedacht hatte er, dass ein Feuer für die Nacht nicht sein durfte und er das dazu notwendige Holz nicht würde sammeln lassen. Bevor die Dunkelheit das Land zur Gänze versteckte, hatte er die Augen geschlossen. Ich kann nicht in vollständiger Dunkelheit bleiben, auch wird die Kälte nicht lange auf sich warten lassen.
Kein Feuer!
Es war wieder die Stimme, die klar und eindeutig Befehl gab, und das in einem Ton, der keine Widerworte duldete. Ekuos blieb in seinen Umhang gehüllt und bewegte sich nicht. Er würde frieren. Er würde frierend in der tiefen Dunkelheit dieser Einsamkeit hocken und sich fürchten. Wer wollte das, wer verlangte das von ihm?
Kein Feuer!
Er entschied, das zu tun, was die Weisen ihm auf die Frage geantwortet hatten, was er tun solle, wenn er nicht mehr laufen, gehen, stehen, sitzen könne. Wenn er, der Hirte und Seher, seinem Körper, seiner Schwäche, nachgeben wollte.
Dann, so hatten die Weisen geantwortet, denke darüber nach, für wen die Winde geschaffen sind. Und immer, wenn deine Herde dich über den Tag hinaus arg strapaziert hat und du vor Müdigkeit einfach nur noch niedersinken willst, bevor du die Herde für die Nacht versorgt hast, denke über die Frage nach, für wen die Winde geschaffen sind.
Aus der Ferne reisten die ersten Streifen Helligkeit aus der Ewigkeit der anderen Welt heran. Dort, wohin alle Menschen einmal ihre letzte Reise machen werden, ist das Leben. Wann wird es für ihn so weit sein? Das war ein unerlaubter Gedanke. Ekuos griff nach seinem Stock und führte ihn kreisförmig um sich herum, sodass er am Boden eine Spur hinterließ. Jetzt war er unverletzlich. Die Herde der Wolken stand ruhig, einige Tiere im Wald bewegten sich. Der riesige Schatten am Boden dort, war das der Herr der Nacht? Ekuos merkte, dass er alle Überlegungen aus der Nacht vergessen hatte. Nur diese nicht.
Kein Feuer!
Hatte er die Worte selbst gesprochen?
Während der Zeit des Übergangs von der Nacht zum Tag war es so still, als würden alle Lebewesen in diesem Moment den Atem anhalten. Kein Mensch wusste, ob er die Sonne am kommenden Tag sehen würde. In der Nacht waren viele geschwätzig, weil sie glaubten, die Götter könnten sie in der Dunkelheit nicht sehen. Ekuos glaubte das nicht. Wer sinnlos Wörter von sich gab, den würden die Götter entdecken, gleichgültig, wo oder wie er sich versteckte. Vielleicht zogen sie deshalb ihre Decken über die Köpfe. Ekuos schreckte auf. Für einen Moment war sein Kinn auf die Brust gefallen und schon hatte sich etwas ereignet. Die Pferde waren unruhig, hielten aber stand. Die Bäume flüsterten. Am unteren Rand zur Senke blitzten kurz zwei Augen auf, dann folgte ein kurzer Tierschrei, dem sich eine bedrohliche Stille anschloss. Ekuos versuchte, in der aufkommenden Helligkeit die Nuancen in seiner Umgebung zu unterscheiden. Selbst in der tiefsten Dunkelheit konnte er spüren, wenn sich etwas bewegte. Und dort, vielleicht fünfzig Schritte vor ihm, da bewegte sich etwas. Es bewegte sich, wie ein Mensch sich bewegt, der sich vorsichtig sichernd durch die Nacht schleichen will.
Ekuos atmete kurz, um keine erkennbare Bewegung zu verursachen. Er wusste, dass in seinem Rücken der Fels und darüber der Stein ihm Deckung gaben, ihn für den Fremden unsichtbar machten, wenn er sich nicht selber verriet. Die Bewegungen des Wesens wurden langsamer, schließlich blieb es stehen. Fast hörte man, wie es Witterung aufnahm. Die Tiere, dachte Ekuos, das Wesen riecht die Pferde. Hatte es sich umgedreht, sich mit dem Gesicht zu den Tieren umgewandt?
Ekuos schärfte seine Sinne, um etwas zu spüren, aber seine Anstrengung war vergebens. Er sah unter sich Amanda, die flach auf die Erde gepresst im Flusskies lag und sich mit einer Decke zu tarnen versuchte. Da war etwas. Über ihm bewegte sich ein Körper in ihre Richtung. Ekuos drehte den Kopf und nun konnte er ihn erkennen. Langsam kam das Wesen wankend aus seiner Deckung hervor. War es ein unheimliches Wesen der Nacht, würde ihm sein magischer Kreis nichts nützen.
Plötzlich, wie durch einen Blitz herausgeschleudert, brach Kida aus ihrer Kuhle hervor und stürmte auf den Fremden zu. Der stieß einen Schrei aus und versuchte, in den Wald zu fliehen. Ekuos schnaufte ein wenig, denn er hatte
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