Das Mysterium Des Himmels
Bestimmung. Amadas hörte zu. Er war einmal mehr überrascht und stellte sich vor, wie sich Namen durch gewisse Verhaltensweisen und Aufgabenstellungen verändern ließen.
Ekuos ritt einige Pferdelängen vor den anderen. Er wusste nicht, ob sie die Anwesenheit von Kida der Wölfin bemerkt hatten. Sie lief seitlich am Waldrand und sah sich nicht einmal nach ihm um. Kurz bevor er den Strand der Isara, dem Wasser der Flussgöttin Isa, erreichte, verschwand sie in den Fluten und legte sich auf der anderen Uferseite hinter einen Strauch, der zwischen zwei Bäumen stand.
Amanda sah Ekuos am Wasser hocken und ließ anhalten. Auch Matu und Amadas mussten absitzen. Der hielt diesen Aufenthalt für nicht günstig, denn sie hatten kaum noch etwas zu essen und er wünschte sich daher, so schnell es ging nach Boiodurum zu kommen.
Wenn die Mondgöttin ihr Licht über die Erde ausbreitete, war er an diesem Platz vor Angreifern nicht mehr sicher. Er musste sich nun ganz genau überlegen, was er unternehmen wollte, damit er dieser Situation gewachsen blieb. Nicht, dass Ekuos Angst vor den Feinden hatte, das war es nicht. Er hatte sich dem Willen der Götter zu fügen, auch wenn ihm bisher dieser Wille nicht verständlich geworden war. Aber er musste daran denken, dass die Entführer Atles und die Freunde töten könnten, bevor sie befreit worden waren. Natürlich hegte er keinen Zweifel daran, dass Kida die Wölfin ihm den Weg zeigen wollte. Weshalb sollte sie sonst den langen Weg bis hierher gekommen sein? Ekuos glitt in seinen Gedanken weit zurück. Du wirst nun bald ein Hirte sein, hatten die Weisen gesagt und der Vater hatte sich ein wenig verbeugt, auf eine Art, wie man es vor seinen Nachkommen niemals tat. Danach hatte er nie mehr das Wort an seinen Sohn gerichtet, weil er nun unter ihm stand. Alle im Dorf traten zur Seite, wenn er des Wegs kam. Niemand sprach mehr mit ihm. Er ging oft in das Haus der Weisen, weil er darüber traurig war und es nicht verstehen konnte. Er war es doch, Ekuos, den alle kannten, die meisten aus der Sippe seit seiner Geburt. Damals hatte er die winzige Kida in der Nähe einer Bärenhöhle gefunden und sie mit der Milch einer Ziege vor dem Verhungern gerettet. Mit ihr hatte er gesprochen, bis sie eines Tages verschwunden war.
Ekuos legte die Hände auf den Boden. Mutter Erde sprach mit ihm. Sie sprach direkt durch seine Handflächen, über die Arme, den Körper, in den Kopf. In panischer Flucht wollte in der Nähe ein Hase entkommen und floh über den harten Boden. Warum tat das Tier das, wer hatte es aufgescheucht? Vor der still liegenden Kida würde es so nicht davonlaufen. Ekuos versuchte, sich sehr gerade zu halten und senkte etwas den Kopf ab. Der Hase floh vom Waldrand zur Senke hinab, Richtung des Flusses. Ekuos brauchte nicht hinzuschauen, um das zu wissen.
Der fliehende Hase veränderte sich. Sein gestreckter Körper wandelte sich zum Körper eines kleinen Jungen, der sich als sein Bruder herausstellte. Ekuos dachte an seinen kleinen Bruder, der rennen konnte wie ein Hase. Er hatte seine Geschwister nie vergessen, so wie es die Weisen von ihm gefordert hatten. Warum erinnerte er sich jetzt? Iss niemals eine Frucht, die dir ein Mensch reicht. Die Götter werden dir zeigen, wo ein Hirte die Früchte der Mutter Erde findet. Schweig von nun an, denn dann kommt dir nichts über die Zunge, was besser ungesagt geblieben wäre. Schweig, denn die Götter geben dir die Wörter im rechten Moment.
Ekuos seufzte. Er hätte gerne weiter an seine Eltern und die Geschwister gedacht, aber das war ihm nicht erlaubt. Einmal lag außerhalb der Herde ein Eber am Boden und hielt seine Nase in den leichten Abendwind. Nachdem Ekuos bei den Weisen gewesen war, hatte sich der Eber bei ihm eingefunden. Eines Tages war er da gewesen und niemand hatte darüber ein Wort verloren. Auch die Weisen verzogen keine Miene und so hatte Ekuos es bald als selbstverständlich genommen, dass der Eber bei ihm war. Ekuos hatte darüber gelacht, wie selbst die größten Hunde zur Seite wichen, wenn der Eber mit seinen Hauern und Kida mit heraushängender Zunge hinter ihm herliefen. Jedes Lebewesen, so hatte ihn der Vater gelehrt, braucht den Schutz der Gemeinschaft vor den Gefahren, die man sieht und vor allem vor jenen, die man nicht sieht. Trage deinen Namen zum Schutz gegen das Böse. Ein Name wie Ekuos schützt seinen Träger. Er ist wie ein Helm, den der Krieger auf dem Kopf trägt. Merkwürdigerweise hatte sich der Eber
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