Das Mysterium Des Himmels
dicht und die Bäume waren so hoch, dass es den ganzen Tag über dunkel blieb. Als sich die Ebene vor ihnen öffnete, waren sie alle durch das plötzliche Licht wie geblendet. In einiger Entfernung, also bald erreichbar, lag die Stadt Boiodurum an den drei Flüssen.
Als sie einen Hang hinunterritten, rannte Atto über das freie Feld und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die Toten, die weit verstreut auf der Erde lagen. Es war nicht zu übersehen, dass sie gewaltsam zu Tode gebracht worden waren. Immer wieder zeigte Atto auf die Leichen und nickte heftig dazu. Wortlos erklärte er so den anderen, dass sie die Entführer Palmiras waren.
Ekuos hielt sich bei den toten Feinden nicht auf. Er übernahm die Spitze. Amanda und Amadas folgten ihm. Wenn die Toten zu den Entführern von Palmira gehörten, war sie nun in den Händen anderer Leute. Die Nähe von Boiodurum ließ ihn vermuten, dass man sie dorthin gebracht hatte. Ekuos schaute nur noch nach vorne.
Der windige Tag wehte den Gestank der Leichen weit über die Ebene. Aasfresser lauerten ruhig und mit wachen Augen am Waldrand. Aber nicht nur sie warteten. Hinter den Büschen lauerten Leichenfledderer, die sich an den nun überflüssigen Kleidern der Kadaver gütlich tun wollten. Es dauerte einige Zeit, bis die Gruppe wieder den Duft der durchfeuchteten Erde riechen konnte. Matu hatte ein frei laufendes Pferd entdeckt, das wahrscheinlich einem der Getöteten gehört hatte. Er bot es Atto an, doch der lehnte ab, lief lieber weiter zu Fuß.
»Atto hat eine Strafe erwartet«, sagte er, »aber ihr habt Atto die Haare gelassen. Atto ist ungeschoren davongekommen. Atto hat die ganze Nacht die Götter angefleht.« Er stampfte auf und hielt seine Hände vor das Gesicht, als würde er nachdenken. Er konnte die Frage, warum er nicht im Kampf in den Tod gegangen war, nicht beantworten.
Matu wies auf einen kleinen Bach hin. »Reinige dich, Atto. Wir werden den Weg nun ohne dich gehen, also folge uns nur langsam«, sagte Matu.
»Ich denke, Glenn wird mich töten? Atto ist nicht dumm. Ich darf nicht in den Bezirk der Götter«, sagte Atto. »Nur das Licht meiner Seele darf es.«
Ekuos war längst davongeritten und hielt erst an, als die Mauern der Stadt zum Greifen nahe zu sein schienen. Er ließ den Trupp zwischen Bäumen absitzen.
Es war für sie besser, wenn er sich zuerst einen Überblick verschaffte, bevor sie sich dem Ort näherten. Auch wenn sie alle zu einem Volk gehörten, so waren sie hier am Platz Fremde.
7. Palmira, die Steine, das Licht
Fast unbemerkt zog sich der Tag zurück und ein weicher Abend legte seine ersten grauen Wolken über den Himmel. Das Kreischen der Räder vieler Wagen, die noch den Ort erreichen wollten, klang von den Straßen zu ihnen herüber. Erste Fuhrleute zündeten Fackeln an und befestigten sie neben sich. Die Frachtkähne auf den Flüssen bewegten sich auf den Hafen zu. Die meisten der flach auf dem Wasser liegenden Schiffe waren aus Eichenholz gebaut worden. Die Segel waren aus mit Salz gegerbtem Leder gefertigt.
Ekuos entschied, an der Danau entlang zum Hafen zu reiten, um von dort in die Stadt zu gelangen. Nach der langen Zeit in der Einsamkeit der Wälder erschraken sie fast vor dem Lärm und der Betriebsamkeit am Hafen. Es war kaum ein Durchkommen. Auf den Kais wurden Eisen, Felle und Salz verladen und von anderen Schiffen kamen Gefäße, Geschirr, Möbel und vor allem Wein in die Stadt. Zwei voll beladene Wagen mit Feldfrüchten und Körben mit Bohnen und Nüssen kamen aus einer Nebenstraße. Niemand schien die Ankommenden zu beachten.
Jetzt erst fiel Ekuos auf, mit welch verlangendem Ausdruck seine Begleiter auf die Esswaren starrten. Wie immer bei langen Reisen war es der Hunger, der die meisten Menschen sehr veränderte. Viele vermieden lieber große Fahrten und längere Entfernungen, weil es häufig passierte, dass Menschen dabei verhungerten. Er suchte einen Weg und fand eine schmale Gasse. Bis auf Ekuos stiegen sie alle von den Pferden und führten sie, weil die Gassen zu eng wurden. So viele verschiedene Gesichter und Kleider hatten sie noch nie gesehen, bis auf Amadas, der sich an die Märkte rund um das große Meer erinnert fühlte. Der Ort, in den sie hineinkamen, wirkte wie ein lang gestrecktes Schiff in gefährlicher Strömung. Ekuos ritt auf einen geräumigen Platz zu, dessen Mitte von zwei großen Tempeln bestimmt wurde. Um sie herum waren heilige Haine angelegt und die prallen Früchte des Apfelbaums
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