Das Mysterium Des Himmels
leuchteten in dem von zwei Feuern erhellten Abendlicht. Der eine Tempel war der Großen Mutter gewidmet und der andere der goldenen Sonne. Ekuos betrat das erste Gebäude und spürte den saftigen Geruch der Erde. Zwei weise Frauen traten auf ihn zu und führten ihn in den hinteren Teil des Gebäudes, wo ein tief gegrabenes Erdloch von zwei im Halbkreis stehenden Gruppen von Frauen und Männern umringt war. Niemand rührte sich und keiner sprach ein Wort.
Amanda blieb vor dem heiligen Hain stehen und zwei ihrer Männer machten sich auf den Weg, um etwas zu essen zu besorgen. Amadas hatte sich inzwischen an das neue Bild, das Amanda ihnen bot, gewöhnt und er wollte sich hier, wie er es immer in einer neuen Umgebung tat, ein wenig umsehen. Zu seiner Überraschung schloss sich ihm Matu an. Sie liefen bis an die Spitze der Landzunge, wo der Ort endete und der Eon in die Danau mündete. Auf der gegenüberliegenden Seite strömte ein weiterer Fluss in den großen Strom, aber von ihm wussten sie beide den Namen nicht. Boiodurum war ein verwunderlicher Ort. Auch an der Landspitze stand ein kleiner Tempel und neben den beiden großen Gebäuden hatten sie Ehrenplätze der verschiedensten Götter gesehen. Selbst in der zurückgelassenen großen Stadt war Amadas eigentlich nur die Pferdeskulptur aus Eisen, die der Göttin Epona geweiht war, in Erinnerung geblieben. Ihn verwunderte nach wie vor, dass dieser Ort keinen Namen trug. Jedenfalls war ihm keiner zu Ohren gekommen. Überall in den Burgen und Orten hatte es eine Ehrfurcht vor den heiligen Plätzen und Gebäuden gegeben. In Boiodurum schien ihm das nicht der Fall zu sein. Die Menschen rannten herum und hatten offenbar nur ihre Geschäfte im Sinn. Allerdings war ihm eine solche Vielfalt an verschiedensten Waren im Keltenland auch noch nicht untergekommen. Selbst Körbe mit großartigen Bernsteinstücken sah er am Uferweg stehen, von bewaffneten Männern beschützt.
Matu wies auf die Lagerplätze am Ufer des Eon. Dort wurde auch noch zu dieser Zeit Salz aus den Kähnen geladen und auf bereitstehende Wagen gehoben. Das war es aber nicht, worauf es Matu ankam. Am Ufer knieten in einer Reihe Menschen am Boden, denen die Arme am Rücken festgebunden worden waren und die eine Haube über dem Kopf trugen. Matu fragte vorbeilaufende Leute danach, aber die schüttelten nur die Köpfe. Erst ein alter Mann, tief vorgebeugt von seinem krummen Rücken, gab Auskunft. Dort drüben brachten die Männer des Glenn ihre Schiffe aus dem Salzland an Land und fuhren mit Sklaven für die Bergwerke wieder zurück.
Hall. Dieses Wort hörte Amadas immer wieder und er verstand, dass es Salz bedeutete.
»Die Salzgruben fressen Menschen«, sprach der alte Mann und verschwand in einem Haus.
Viele Boote hatten inzwischen zur Nacht an den Ufern angelegt. Plötzlich lagen die Flüsse wie ausgestorben vor ihnen. In der Dunkelheit fuhren keine Frachtkähne mehr über das Wasser. An den Liegeplätzen befestigten die Schiffsleute Fackeln im Sand. Feuerfunken tanzten über das Wasser. An den gegenüberliegenden Ufern gingen die Lichter an. Amadas suchte sich ein Haus, um dort zu übernachten. Man saß um den in der Mitte der Hütte gebauten Herd und aß gebratene Fische mit Bohnen. Erst als Amadas die Sprache auf das Salzland und diesen Glenn brachte, erstarb das Gespräch abrupt und es gelang ihm nicht, es durch Erzählungen von seiner bisherigen Reise wieder zu beleben.
Matu kehrte zu den Pferden zurück und fand einen Unterstand am Ende des Ortes für sie. Es war zwar feucht und kühl so direkt am Wasser, aber das störte ihn nicht. Er nahm sich eine Decke, lehnte sich an die Wand und ließ den Tempel nicht aus den Augen, in dem Ekuos sich aufhielt.
Wenn das ewige Schweigen in die Welt käme, wo wäre dann noch das Leben möglich? Bevor die Bäume verstummten, schwieg auch der Fluss. Kein Vogel, der mit seinem Ruf nicht enthaltsam umging, wenn er dadurch überleben könnte. Außer am frühen Morgen, wenn die Vögel mit ihrem lauten Schwatzen die Erdmutter aufweckten. Wer sonst sollte es schaffen, den Himmel und die Erde zu verbinden, wenn es nicht die Vögel tun? Wenn alles in der Welt endgültig schweigen würde, wäre es nicht mehr da, das Leben.
Ekuos hatte sich auf das Dach begeben und stand mit der Ältesten der weisen Frauen am Rande des Gebäudes. Seine Gedanken beschäftigten ihn, weil er sich so hilflos fühlte. Wenn das Tageslicht sein Gesicht berühren würde, wird er kein Hirte mehr sein.
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