Das Mysterium Des Himmels
einen Irrtum. Es duftete nach würzigen Pflanzen, wie er sie zuletzt mit dem Weisen auf der langen Reise gepflückt hatte, um sie zu trocknen und gegen Krankheiten bereitzuhalten. Aber wie konnte das zu dieser Jahreszeit noch sein? Er ließ seine Gedanken anhalten und schaute auf die grüne Wiese seiner Kindheit, die sich zwischen den hohen Bäumen des Waldes und den Bergen offenbarte. Die Tiere begannen sofort zu fressen und nichts hielt sie mehr in der Reihe. Ekuos schaute auf einen Eber, der inmitten von Wacholderdüften die Augen geschlossen hielt. Ekuos drehte sich zu Matu um, der die Lippen spitzte und tonlos vor sich hinpfiff. Mit dem Pfeifen wollte er die bösen Geister fernhalten, aber ohne Ton nutzte das gar nichts. Schon wollte Ekuos Matu diesbezüglich belehren, womit er ihn durchaus nicht kränken würde, da stellte sich die Mondgöttin strahlend an den Himmel und beleuchtete das Feld der Mysterien, sodass Ekuos und Matu auf der Stelle stehenblieben, um sich ins Grün zu setzen und zu ruhen. Die Ruhe bedeutete, den Strahlen der Götter die Gelegenheit zu geben, in sie einzudringen. Jetzt durften sie nicht mehr weitergehen, wollten sie die Götter nicht beleidigen, auch wenn sie vielleicht dadurch ein Tier oder etwas anderes verlieren würden.
Er durfte nicht mehr so heftig an früher denken. Ekuos wollte sich mit dem Samhainfest befassen, zu dem er sich Palmira und Amanda an seine Seite wünschte. Ekuos sprach seinen Gedanken aus und begann am ganzen Körper zu zittern. An Samhain ist Ekuos geboren, hatte seine Sippe gesagt. Ekuos schwieg. Was würde er tun, wenn Amadas und Matu versagen würden?
»Es ist ein Geruch von Blut hier«, sprach eine Stimme. »Seid ihr das? Wer von euch verschüttet sein Blut an diesem heiligen Platz?« Direkt aus dem Mondlicht kommend, schritt eine weise Frau auf die Fuhrleute zu, die völlig gebannt und ängstlich schauten, denn es war noch heller Tag. Das musste ein Irrtum sein. Die Männer duckten sich. Die Frau trug einen bodenlangen weißen Umhang, vorne von mehreren Fibeln geschlossen gehalten, und ihr offenes silbernes Haar reichte weit über die Schultern hinab, wie es die Frauen im Dorf nicht zu tragen wagen würden. In ihrer rechten Hand hielt sie ein Messer. Einer der Fuhrleute riss sein Hemd hoch und zog es über den Kopf. Er versteckte sich. Matu blieb ruhig und schaute auf den Hund an ihrer Seite, dessen erste Unruhe völligem Gleichmut gewichen war.
»Die Zauberin ist aus dem Mond gestiegen und wird uns töten«, stammelte jemand.
»Still!«, befahl die Frau.
Amadas erinnerte sich. Er hatte die Frau im Vorbeireiten bei Ekuos stehen sehen. Sie hatten miteinander geredet.
Die weise Frau blieb genau in der Mitte der Wiese stehen und richtete ihren Blick hinauf zur Mondgöttin. »Der ist es«, sagte sie und wies auf Matu.
Amadas schaute auf die Messerspitze, die direkt auf Matu wies, der unter seinem dicken Hemd zitterte.
»Wer hat den Mann getötet?«, fragte sie. »Hast du es getan?«
Matu schüttelte entschieden den Kopf, obwohl er auch an die zwei anderen Toten denken musste.
Die Mondgöttin schaute streng vom Himmel herab und ließ die Bäume wispern. Ein Fuchs verirrte sich ins Licht und machte sich sogleich wieder davon. Wer jetzt log, der wurde seines Lebens nicht mehr froh. Matu wusste sich nicht recht zu äußern. Was sollte er denn sagen? Der Fuhrmann des Quintus Tessius hielt sein zerrissenes Hemd vor sein Gesicht und machte seltsame Geräusche. Die weise Frau kam näher heran.
»Zeig mir dein Gesicht«, sagte sie zu Matu.
Matu sah keinen Grund, dies nicht zu tun. In ihm stieg eine ungewöhnliche Hitze hoch und er wunderte sich darüber. Es war nicht die Jahreszeit dafür. Er fürchtete sich nun nicht mehr. Gegen Morgen, bevor sich die Mondgöttin in ihre Gemächer zurückzog und ihre Milch über das Land ausgoss, wie die Tautropfen im Gras bewiesen, wurde es merkbar kühler. Wer sich am frühen Morgen in das frische Tau legte, der bekam seine Jugend zurück. So fühlte er sich und blinzelte in das Licht.
»Ich kenne dein Gesicht«, sagte die weise Frau. »Du bist einer, der seine Augen ausrichtet, um Dinge zu sehen, die er nicht sehen sollte. Deine Mutter schickte einst nach mir, weil du so widerspenstig warst und das Licht des Tages nicht sehen wolltest. Es wurde Nacht und ich sagte deiner Mutter, dass du nicht auf Erden bleiben wirst. Nun bist du also ein Reiter geworden. Ist dein Name noch immer Matu der Treiber? Ich habe dich aus dem
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