Das Mysterium Des Himmels
immer geglaubt, die Berge wären die riesige Wand, die von den Göttern eingerichtet worden war, damit niemand über sie hinwegkonnte, weil man hinter den Bergen von der Erde in das dunkle Nichts fallen würde. Als der Wald begann, war Matu froh. Im Wald war das Leben etwas anderes.
Ekuos registrierte auch die unauffälligste Veränderung von Geräuschen. Da war kein Scharren mehr, kein Kriechen, kein Schaben, kein Knacken, nichts, was ihm nicht Gedanken machte. In Matu sah das anders aus. Seine innere Unruhe war nun doch wieder da und seine Konzentration galt den Nichtgeräuschen. Ekuos hatte ihn gelehrt, dass nicht das gefährlich ist, was man hören kann, sondern das, was man nicht hörte. Matu hatte sehr lange gebraucht, bis er das verstanden hatte. Und jetzt hier? Die Bäume, die Tiere, alles und jedes im Wald hielten inne. Was geschah da? Matu verspürte einen Luftzug, er konnte fühlen, wie ein leichter Wind um die Baumstämme wehte. Das war alles. Er riss die Augen auf und versuchte, die Veränderungen im Wald mit den Händen zu greifen. Brach unter irgendeiner Last irgendwo ein Ast entzwei? Hörte er, was wirklich geschah, oder sprachen die Dinge nur in seinem Kopf? Was da so laut klopfte, war das wirklich nur sein Herz? Matu hob den Arm und ließ anhalten. Amadas ritt heran und schaute sich um.
»Wenn die ferne Große Göttin die Dunkelheit zerreißt und heranschwebt in einer silbernen Pracht, hört man das auch nicht. Am Himmel kommt danach endlich die Mondgöttin aus ihrem Haus und betritt den Hof ihres Palastes. Die Wolken beugen sich tief, damit sie wie auf einem moosigen Grund reisen konnte. Schwarze Blumen weben sich zu einem grandiosen Teppich, beleuchtet von Tausenden von göttlichen Lichtern. Alles das hört man nicht. Aber die Lebewesen der Erde, die hört man immer.« Matu hatte geflüstert und strich sich über die Lippen, damit keines seiner Worte daran hängenblieb. Er hatte sich diese Worte von Ekuos sehr genau gemerkt, denn sie hatten auf ihn eine magische Wirkung gehabt.
»Es wird ein Tier sein«, antwortete Amadas. »Bleib du bei dem Wagen, ich werde mich einmal weiter vorn am Weg umschauen.«
Matu nahm seine Doppelaxt in die Hände. »Es sind die Tiere, die jede Veränderung sofort bemerken«, antwortete er und wünschte sich Ekuos an seine Seite.
Ekuos hob die Hände zum Himmel und dankte für das Licht und das Leben und die Nacht und den Tag, die sich zu einem herrlichen Bild zusammengefügt hatten und er bat die Götter, der Nacht erneut einen Tag folgen zu lassen. Was hatte sich nicht alles verändert, seit er erst Hirte und dann Seher geworden war. Er hatte nicht alles verstehen können und als er einmal einem Eber das Zeichen zum Aufbruch gab und der tatsächlich aufsprang und davonlief, da hatten die Sippen aus den Dörfern unten am Hügel gestanden und schweigend die Köpfe gesenkt. Schweigend würde er von nun an mit einer Herde zu tun haben, die durch das Leben zog, als würde es ihnen gehören. Im Lichte der fernen Göttin und im Angesicht der Großen Mutter Erde wollte er darum bitten, dass niemand Schaden nahm. Auch nicht Atto, der sein Leben nun verpasst hatte und sich nun nicht mehr wundern konnte, warum das so geschehen war. Er würde nun in der tiefsten Nacht die andere Reise beginnen können, weil die auf der Erde Lebenden nie in der Nacht reisen würden. Nur ein Hirte und Seher, in seinen Umhang gehüllt, stand plötzlich vom Boden auf und grüßte die Göttin dort oben am Himmel. Atto war tot, dachte Ekuos, weil er es gerade gespürt hatte. Er dachte an Amanda und Palmira und deshalb war ihm alles recht, wenn er sie nur beschützen konnte. Langsam ging er voran und er sah die letzten Tiere einer Herde direkt vor sich, wie er sie damals verlassen musste. Er stand über der Klippe und schaute nicht zum Ort hinab. Er sah hinüber in die Berge und wünschte sich, ihnen noch näher zu sein.
Matu spürte, wie die Luft um ihn herum aufpasste, dass ihm nichts geschah. Ekuos hatte die Götter gebeten, ihm nichts geschehen zu lassen, dessen war er sich sicher. Er würde den Wald durchschreiten, sich dabei keines Frevels schuldig machen und am Ende des Weges den Bäumen für ihre Güte danken. Er war davon überzeugt, dass er am Ausgang des Waldes die Entführer mit ihrer Beute erreichen würde. Dann wird noch genügend Licht bleiben, sich um sie zu kümmern, bevor er sich weitere Gedanken über die wahren Feinde machen musste. Hier war es der Glenn mit seinen Leuten und
Weitere Kostenlose Bücher