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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Vertreter der
Compagnia
aufsuchen.«
    »Mein Kämmerer ist auf der Reise verstorben. Könnt Ihr erkennen, um was es geht?«
    »Nun, im Grunde ist dies eine Art Wechsel. Euer Kämmerer hat bei der
Compagnia
eine Summe eingezahlt, die gegen Vorlage dieses Dokuments zuzüglich der angefallenen Zinsen zurückerstattet wird.«
    |314| »Um welchen Betrag handelt es sich?«
    »Das ist nicht zu erkennen. Das Dokument ist zweigeteilt. Euer Geschäftspartner, der die andere Hälfte besitzt, wird Euch
     sagen können, wieviel es genau ist. Aber wenn die
Compagnia
zwölf Prozent Zinsen gewährt, kann man von einer stattlichen Summe ausgehen. Natürlich benötigt Ihr die andere Hälfte, um
     Euch auszahlen zu lassen.«
    Deshalb hatte er immer dieses wohlige Gefühl im Bauch gehabt, wenn er seine Münzen zählte und sie aufeinanderklicken ließ.
     Der Vater mußte ein großer Kaufmann gewesen sein. Seinen Reichtum hatte er Nemo anvertraut. Allerdings nur zur Hälfte. Hatte
     er womöglich einen Bruder, der in einem anderen Kloster aufgewachsen war, und diesem Bruder hatten die Dominikaner die zweite
     Pergamenthälfte abgenommen? Er nahm das Pergament und steckte es weg. »Ihr habt mir sehr geholfen.« Es wurde naß in seinem
     Schuh. Der Schnee schmolz in der warmen Wechselstube.
    »Es war mir eine Freude. Wenn Ihr hier in München Geldgeschäfte erledigen wollt, stehen wir gern zu Eurer Verfügung. Wir können
     Euch auch einen neuen Kämmerer anbieten und für Euch Buchhaltung und Geldanlage verwalten.«
    »Ich lasse es mir durch den Kopf gehen. Gehabt Euch wohl.« Er ging nach draußen. Ein Rappen stand vor der Bank, die Zügel
     hielt ein kleiner Junge, stolz und angsterfüllt zugleich. »Mache ich es richtig?« fragte er den Reiter. Der Bewaffnete war
     ein Kaiserlicher, er trug den gelben Waffenrock mit dem Reichsadler. Der Bewaffnete achtete nicht auf den Jungen, sondern
     rief laut: »Bürger und Volk zu München! Euer Kaiser, Ludwig, tut Euch kund und zu wissen, daß sich heute zur Mittagsstunde
     William Ockham vom Orden der Minderen Brüder und Amiel von Ax zu einem öffentlichen Streitgespräch auf dem Marktplatz der
     Stadt München einfinden. Kommet zuhauf!« Dann sagte er leise: »Du hast es fabelhaft gemacht. Jetzt kannst du loslassen.«
    Der Junge ließ die Zügel los. Er strahlte über das ganze Gesicht.
    |315| Ein Streitgespräch? War das eine neue Tücke Amiels? Wollte er einen Aufruhr anzetteln? Nemo sah dem Bewaffneten nach. Der
     kleine Junge rannte ihm hinterher, während der Bote auf dem Rappen zur nächsten Straßenkreuzung ritt.
    Er hatte, was er brauchte. Sollten sie sich streiten auf dem Marktplatz. Er würde zu dieser Zeit längst mit Adeline auf dem
     Weg nach Frankreich sein. Nemo bog in die Straße ein, die außen an der alten Stadtmauer entlangführte. Kinder sprangen im
     braunen Schneematsch umher. Ein zerlöcherter Eimer lag auf der Straße. Hütten säumten die Straße, die Dächer waren mit Stroh
     gedeckt. Es gab keine Schornsteine, nur Ausbuchtungen am Dach, aus denen Rauch zog und um die ringsumher der Schnee geschmolzen
     war. Abfallhaufen lagen neben den Türen. Gab es hier keine Senkgruben? Sandte der Stadtrat die Verschuldeten, die sich mit
     Müllsammeln freiarbeiteten, nie in diese Straße? Es stank säuerlich.
    Hier müßte man die Ratsherren hinschicken, die beharrlich die Beschwerden abwiesen wegen der Steuerfreiheit des Adels. Diese
     Straße bot den Beweis: Die Reichen wurden reicher, die Armen wurden ärmer. Vermutlich lebten sie hier, die Müllsammler, und
     die Bewohner dieser Straße hatten seit Jahren keine Steuern mehr bezahlt.
    Das sollte die richtige Straße sein? Er fragte eines der Kinder: »Weißt du, wo die Mutter von Adeline wohnt? Adeline arbeitet
     im Kaiserhof als Kammermädchen. Ihre Mutter soll hier wohnen.«
    Das Mädchen zeigte auf ein Haus, von dessen Strohdach verfaulte Stränge zu Boden hingen. Dann spielte es weiter: Es schob
     einen Knochen mit einem Stock im Schneematsch hin und her. Ein Junge trollte heran und trat nach dem Knochen. Sie begannen
     zu streiten.
    Hatte sie wirklich verstanden, was er meinte? Er ging zum Haus und klopfte. Schritte. Ein Riegel knirschte. Die Tür öffnete
     sich. Welche Erleichterung! Es war nicht Adelines Mutter. Er war falsch hier. Diese Frau war zu alt. Sie trug ein ausgefranstes,
     graues Kopftuch über einem schiefen Scheitel. |316| Der Mund hing häßlich herab. Die Nase sah aus, als sei sie einmal gebrochen gewesen

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