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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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gute Stück Fleisch aus der Schüssel.
     Er griff nach einem Lumpen und kniete sich mit der Schüssel vor die Feuerstelle. Er tunkte den Lumpen in die nasse Asche und
     begann, die Schüssel zu scheuern. Er scheuerte sie, als hinge sein Leben davon ab.
    Würde er danach auch noch den Kessel reinigen? Das konnte dauern. Wenn der Morgen graute, wurde eine Flucht schwieriger. Und
     wenn er versuchte, jetzt zu entkommen, wo Amiel ihm den Rücken zudrehte und abgelenkt war? Nemo hob die Hände und schüttelte
     die Fliegenkadaver ab. Ohne den Blick vom Perfectus zu nehmen, kroch er hervor. Neben der Tür richtete er sich langsam auf.
     Er öffnete sie, Fingerbreit um Fingerbreit. Der Perfectus scheuerte mit unveränderter Kraft die Schüssel. Nemo schlüpfte hinaus.
    Im Flur besann er sich. Wie würde er aus der Stadt gelangen? Es kam nur Zyfers Tor in Frage, aber selbst an der kleinen Nachtpforte
     könnten sie ihn und Adeline für flüchtige Straftäter halten und mißtrauisch werden. Man könnte sie festhalten und am nächsten
     Tag dem zuständigen Hauptmann vorführen.
    Er brauchte seine Kleider. Wenn er sich als Adliger ausgab und mit Folgen drohte, würde man nicht wagen, ihn gefangenzusetzen.
     Womöglich vermutete man dann eine unerlaubte Liebschaft zwischen ihm und Adeline, die sie zwang, ihre Reise vor Morgengrauen
     anzutreten. So etwas kam vor.
    Also mußte er noch einmal an Jakobus vorbeigelangen. Er schlich sich in den Saal. Der Mond schien unverändert auf den blankpolierten
     Tisch, er war nur ein Stück weitergewandert. Die weißen Kalksteinplatten glommen auf dem Boden, als seien sie aus Geisterknochen
     gemeißelt. Jakobus lag seitlich auf seinem Strohsack. Er schnarchte nicht. Nemo setzte vorsichtig Fuß vor Fuß. Er achtete
     darauf, daß kein Schatten in Jakobus’ Gesicht fiel, als er ihn passierte. Neben dem Ofen öffnete er leise die Tür zu seinem
     Raum, trat hindurch und schloß sie hinter sich.
    |308| Nun durfte es keinen Verzug geben. Eilig zog er das Wams an, schlüpfte in die roten Beinlinge. Er setzte sich nieder aufs
     Bettlager und nestelte die Beinlinge am Wams fest. Anschließend zog er das goldbestickte Jaquette über. Es drückte das Pergament
     unter dem Hemd an seinen Bauch. Er band sich den Gürtel aus Silberplatten um, nahm die Ledertasche und legte sich zum Schluß
     den Pelzmantel über den Arm.
    Wenn sie ihn so beim Verlassen des Hauses erwischten, gab es kein Herausreden mehr. Aber Amiel war in der Küche beschäftigt,
     Jakobus schlief, und die anderen Türen waren geschlossen. Es würde, es mußte gelingen.
    Von nebenan drang Husten durch die Tür. Verdammt! War Jakobus wach? Nemo lauschte auf weiteres Husten. Er wartete lange. Es
     blieb still. Ein Mann, der im Schlaf redete, konnte der nicht auch im Schlaf husten?
    Nemo trat leise in den Saal. Er schlich den gewohnten Weg an Jakobus vorüber. Da hörte er eine tiefe Stimme vom Bettlager
     her: »Ich wußte es. Ich habe Euch nie getraut.« Jakobus stand auf. »Wohin des Weges, verlogener Franzose?« Ein Dolch blitzte
     auf.
    »Wie redet Ihr mit mir?«
    »Wir wissen, daß Ihr ein Betrüger seid. Der Perfectus läßt Euch nur aus einem Grund am Leben: Er will in Erfahrung bringen,
     woher Ihr von dem Pergament wißt! Ihr habt die zweite Hälfte nicht, Ihr könnt sie gar nicht haben.«
    Eiskalt lief es Nemo den Rücken hinunter. »Ach? Und warum ist das so?«
    »Ihr habt es dem Weisen Weißen gestohlen, ja? Wer soll das glauben! Kein Dieb der Welt würde es wagen, dem Dominikaner zu
     Leibe zu rücken. Aber der Perfectus wird die zweite Hälfte erlangen, schon bald, und ohne Betrüger wie Euch.«
    Nemo zog die Pergamenthälfte aus seinem Hemd hervor. Er hielt sie Jakobus im Mondlicht vor das Gesicht. »Was ist das, Eurer
     Meinung nach? Ich diene einem Perfectus, der Amiel von Ax an Bedeutung ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen ist. Ihr solltet
     nicht vergessen, daß wir auf das gleiche |309| Ziel hinarbeiten. Amiel ist nicht der einzige, der an der neuen Kirche der Sündlosen arbeitet.«
     
    Frische Winterluft zog durch das Fenster in den Raum. William trat an die Öffnung heran und sah hinaus. Vom Ankleidegemach
     des Kaisers aus konnte man weit in die Ferne blicken, über die Häuser und die Stadtmauer hinweg bis in die schneeweißen Isarauen.
     Krähen kreisten dort. Das Krächzen hallte über das Land wie Todesgrüße. »Ludwig, ich fürchte, Ihr versteht mich nicht. Dieser
     Mann ist kein Schurke, dem man einfach

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