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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Christus hat ihm verziehen. Auf die Ehebrecherin wollte Christus keinen Stein werfen, obwohl alle sie verachteten.
     Vergebung, versteht Ihr, Nemo? Es ist das größte Wunder der Weltgeschichte – daß Gott uns untreuen Geschöpfen vergeben hat,
     daß er uns mehr liebt, als er unsere abscheulichen Taten haßt.«
    Nemo sah auf den lohenden, qualmenden Scheiterhaufen und den schwarzen Körper am Pfahl. »Es sieht aber nicht wie Vergebung
     aus, was hier geschieht.« In der Luft lag der metallische, beißende Geruch von verbranntem Haar.
    |409| Jeder der neun Jünger hielt ein Schwert. Sie hatten die nackte Klinge mit der Spitze auf den Boden gestellt und stützten die
     Hände auf den Knauf. Ihre schwarzen Kutten mit der seidenen Taube auf der Brust einten sie. Drei mal drei Rächer waren es,
     und heute war der Tag.
    Amiel wartete neben der Tür. »Kein Wort«, sagte er. »Ich spreche, Ihr schweigt.« Er ließ den Blick über den Halbkreis der
     Männer schweifen. Sie haßten den Inquisitor und die Kirche für das, was Bartholomäus angetan worden war. Nichts konnte sie
     mehr umwerfen. Allein Venk war gekippt, er war heute nachmittag verschwunden. Der Anblick des brennenden Gefährten mußte ihn
     verängstigt haben. Nun, er brauchte ihn nicht mehr. Von heute an war die reine Kirche stark genug, sich selbst zu verteidigen.
    Schritte näherten sich. Die Tür schwang auf. Der Dominikaner betrat den Raum. Er blieb stehen. Das rote Narbenfleisch entfärbte
     sich. Er stand da in seinem weißen Habit und wußte nichts zu sagen. Litt er Todesangst, erfuhr er endlich, was das bedeutete?
    Amiel schlug hinter ihm die Tür zu. »Willkommen, großer Inquisitor.«
    Vom Grauen verlangsamt, drehte sich der Dominikaner Fingerbreit für Fingerbreit um, bis er Amiel ansah.
    »Es erschüttert mich, was Ihr auf dem Marktplatz getan habt«, sagte er. »Dachtet Ihr, so könnt Ihr den Aufbau der reinen Kirche
     verhindern? Es ist zu spät für solche Verzweiflungstaten. Diese Nacht wird Euch zeigen, daß wir unbesiegbar sind. Bartholomäus’
     Tod ändert nichts daran. Er hat uns nur stärker gemacht.«
    Es klopfte. »Wir möchten uns auch gern aufwärmen, Herr. Wieso habt Ihr die Tür zugeschlagen?« Draußen wieherte ein Pferd.
    Die Jünger hoben ihre Schwerter und richteten die Spitzen auf den Inquisitor. Amiel raunte: »Ihr möchtet nicht gestört werden.«
    Der Dominikaner schüttelte den Kopf. Er sagte: »Meine |410| Ritter werden Euch ohne Schonung niederstrecken. Ihr könnt mich töten. Aber auch Ihr werdet alle sterben. Der Frankfurter
     hat bereut. Er kann es vielleicht in den Himmel schaffen. Für Euch ist dieser Weg verbaut.«
    »Was wißt Ihr schon vom Weg in den Himmel!«
    Von draußen war wieder die Stimme zu hören. »Herr Inquisitor? Ist alles in Ordnung da drin?«
    Amiel sagte leise: »Gebt mir den Schlüssel zu Eurer Truhe.«
    Der Inquisitor band ein kleines Beutelchen auf, das er am Gürtel trug, und reichte Amiel einen Schlüssel.
    Amiel kniete vor der Truhe nieder. Sie war von Eichenholz und an den Kanten mit Eisen beschlagen. Er führte den Schlüssel
     in das Schloß ein und drehte ihn um. Dann hob er den Deckel der Truhe an. Obenauf lagen Pergamente, mit Siegeln versehene
     Vollmachten und Geleitbriefe. Darunter befanden sich Lederbeutel. Er betastete sie. Münzen. Er fingerte die Pergamente durch.
     Das
Depositum
fand er nicht. »Wo ist es?«
    »Unter den Geldsäcken.«
    Er hob einen Geldsack an. Tatsächlich, da lag es, das Stück, das er noch nie gesehen hatte. Er zog es heraus. Es glich dem
     anderen, die feine schwarze Schrift von italienischer Hand, das besonders sauber enthaarte und weichgeklopfte Pergament. Nur
     war es an der rechten Seite abgeschnitten. Er verbarg es an seiner Brust.
    »Am Ende entpuppt sich der heldenhafte Perfectus also als gemeiner Dieb«, sagte der Inquisitor.
    »Dieb nennt man den, der etwas stiehlt. Ich hole nur zurück, was den Meinen gehört. Ihr habt es dem Meister des Spitalordens
     genommen.«
    »Ihr hattet nie vor, den Kaiser wirklich zu vergiften, richtig? Ich habe Euch Zeit gegeben, damit Ihr Euer Versprechen einlösen
     könnt, aber Ihr habt gelogen und habt mein Vertrauen mißbraucht. Ihr werdet nichts erreichen.«
    »Ihr irrt Euch. Ich erreiche alles.«

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    »Ein letztes Mal«, sagte Nemo.
    Der Hundeführer nickte. Er reichte Nemo die Leine. »Paß auf, daß er dir nicht abhaut.«
    Er war schon die letzten Tage immer allein mit dem Hund gegangen. Der

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