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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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sie. Er trug einen hellen Umhang und Handschuhe und setzte seine Schritte in großer Hast. Vor dem
     Haus des Bäckers Seyfried blieb er stehen und hämmerte mit der Faust gegen die Tür. »Sagitarius!« rief er. »Tretet an!«
    Im zweiten Stock wurde ein Fensterladen aufgestoßen. Seyfried steckte den Kopf heraus. »Mein Sohn ist nicht da. Bedaure. Der
     unvernünftige Kerl zieht mit seinen Freunden um die Häuser.«
    Der Mann an der Tür knurrte einen Fluch. »Wenn er heimkehrt, sagt ihm, daß er sich unverzüglich am Kaiserhof zu melden hat.
     Er soll seine Armbrust und seinen Waffenrock mitbringen.« Er eilte weiter. Nemo sah ihn einige Häuser die Straße hinunter
     wieder gegen eine Tür schlagen.
    Es würde hochkochen in der Stadt, wie in einem Kessel, der lange genug über dem Feuer gehangen hatte. »Was hältst du davon,
     wenn wir nach München zurückkehren, sobald der Inquisitor fort ist und sich hier alles beruhigt hat? Bis dahin kannst du deiner
     Mutter Briefe schreiben.«
    Adeline hörte nicht zu. Sie sah zum Himmel hinauf. »Was ist das?«
    Er folgte ihrem Blick. Der Mond blutete.

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    »Das Zeichen!« Auf dem Marktplatz streckte Seyfrieds Sohn den Arm zum Himmel. Seine Freunde hoben die Köpfe. Er sagte: »Ich
     habe es gewußt. Der Perfectus ist ein Magier.« Sie bekreuzigten sich. Sie konnten den Blick nicht abwenden vom Mond, der sich
     kupferrot verfärbte. Schwärze fraß sich in ihn hinein.
    Beim Brunnen hob ein Mann seine Mistgabel in die Höhe. »Er hat Wort gehalten! Die Inquisition wird uns nicht verknechten.
     Der Perfectus kämpft für uns!« Die Männer folgten seinem Beispiel und streckten ihre Waffen in die Höhe. Sie jubelten. Es
     war ein zorniger Jubel.
    »Das ist nicht gut«, murmelte ein altes Mütterchen. »Je mand , der Blut an den Himmel bringt, kann kein Heiliger sein. Er ist ein Schwarzmagier. Oh, oh, oh, er verführt unsere Jugend.«
     Sie humpelte vom Platz. Jedem, den sie traf, tat sie ihre Erkenntnis kund. Aber man wollte es nicht hören.
    »Schaut Euch an, welche Macht er hat«, rief Seyfrieds Sohn in die Runde seiner Freunde. »Niemand kann ihm widerstehen. Ein
     Magier wie er, welches Glück haben wir, daß er ausgerechnet nach München gekommen ist! Er weiß, daß er hier Unterstützung
     hat. Er wird den Kampf beginnen. Wir siegen gegen die raffgierige Kirche.« Er hob seine Armbrust auf die Schulter. »Kämpfen
     wir!«
    »Und wie raffgierig die Kirche ist!« bestätigte eine Frau, die in einer benachbarten Gruppe von Menschen stand, sie rief es
     hinüber zu ihm. »Mein Mann wurde zu Kerkerhaft verurteilt und enteignet. Ich muß das Haus verkaufen. Ein Drittel des Geldes
     geht an den Inquisitor persönlich! Und die Haft darf ich auch bezahlen, vier Pfennige am Tag! Die Stadt zahlt nur einen Zuschuß
     zur Verpflegung.«
    |422| Eine andere Frau sagte: »Sogar die Hinrichtung müssen die Angehörigen bezahlen. Wenn meine Schwester verbrannt wird, wovor
     Gott uns bewahre, dann bezahle ich Opfergewand, Scheiterhaufen, Pfahl, Stricke und Gemeinschaftsgrab, insgesamt zwei Pfund
     und 36 Pfennige. Ist das nicht Grausamkeit? Ich soll meine geliebte Schwester verlieren und dafür auch noch Geld hergeben,
     als würde ich es so haben wollen!«
    »Es gibt ja keine kirchlichen Begräbnisse mehr«, sagte ein alter Mann. »Seit der Inquisitor da ist, muß man die Toten in andere
     Städte schaffen, die Priester wagen es nicht mehr, sie zu begraben. Der Inquisitor hat den Bann erst wirklich in die Stadt
     gebracht.«
    Überall in der Stadt traten die Einwohner aus ihren Häusern, neugierig gemacht durch die Rufe derer, die auf Amiel warteten.
     Sie blickten zum Himmel, sahen mit Entsetzen den roten Mond.
    Dann ging es wie ein Lauffeuer durch die Stadt: Zum Augustinerkloster! Dort ist der Perfectus! Von überallher bewegten sich
     die Menschen zum Eremitenviertel hin. Eine Gesichtermenge, die von Fackeln beschienen wurde wie von Kometenfeuer. Über ihnen
     blutete der Mond.
    Sie versammelten sich vor dem Klostertor und warteten. »Amiel, sprich zu uns!« »Ja, Heiliger, komm heraus!« Das Tor brach
     auf. Die Flügel öffneten sich bedächtig, und zwischen ihnen erschien Amiel von Ax. Großgewachsen und schlank war er. Sein
     Bart glänzte im Licht der Fackeln, das Haupthaar schien mit Silberfäden durchzogen zu sein. Er trug einen blauen Kapuzenmantel,
     der in edlen Falten fiel.
    Segnend hob er die Hände über die Menge, und die Menschen verneigten sich

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