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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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unter der Geste. Dann trat er beiseite und machte
     Platz für den Inquisitor. Der Dominikaner trug immer noch das weiße Habit. Er blieb stehen und blickte schweigend in die Menge.
    »Ihr haltet diesen Mann für stark, nicht wahr?« sagte Amiel. »Ihr habt Angst vor ihm. Aber er ist sterblich! Er ist fehlbar. |423| Seine Herrschaft des Schreckens hat ein Ende.« Er erhob die Stimme zu einem lauten Ruf. »Begründet mit mir die reine Kirche!«
    Die Menge jubelte.
    »Wollt Ihr den Inquisitor haben? Soll ich ihn euch ausliefern?«
    Sie schrien durcheinander und hoben ihre Sensen, Hämmer, Mistgabeln. Der Inquisitor wich zurück zum Hof des Augustinerklosters.
     Hinter ihm aber traten neun Jünger des Perfectus aus den Schatten und richteten ihre Schwerter auf ihn. Flehend wandte er
     sich an den Perfectus: »Tut das nicht!«
    »Wovor habt Ihr Angst? Ihr könnt sie doch alle in eine Liste eintragen und vor das Inquisitionsgericht zitieren.«
    »Ich bitte Euch, seid gütig, setzt mich nicht dieser wütenden Horde aus!«
    »Von Aussetzen kann keine Rede sein. Ich lasse Euch frei. Ich bitte Euch lediglich, das Augustinerkloster zu verlassen.«
    »Los doch, kommt zu mir!« rief ein sehniger Mann, der in der ersten Reihe stand. Er holte mit der Sense aus, ließ sie durch
     die Luft sausen. Eine Frau kreischte: »Nein, ich will ihn haben! Ich kratze ihm die Augen aus!«
    Der Inquisitor sagte: »Mein Blut kommt über Euch. Ich habe für Gottes Kirche gekämpft, ich habe versucht, sie zu schützen.«
    Die Menge tobte vor Wut. Sie brüllte ihn nieder.
    Amiel gab ein Zeichen. Die Jünger traten näher. Sie trieben den Inquisitor vor die Menschenlawine.
    Da übertönte eine Stimme die anderen. »Im Namen des Kaisers!«
    Köpfe wendeten sich. Nach und nach verebbten die wütenden Schreie. William Ockham trat von der Seite her auf den freien Platz
     vor dem Klostertor, gefolgt von sechs kaiserlichen Wachen. »Wißt Ihr nicht, daß die Erde eine Kugel ist?« Der Mönch trug eine
     braune Franziskanerkutte, die Wachen hielten Spieße und waren in gelbe Waffenröcke gekleidet, auf denen der Reichsadler prangte.
     »Um diese Kugel kreisen |424| Sonne und Mond. Warum nun färbt der Mond sich rot? Warum verfinstert er sich? Seht hoch zum Himmel! Der Schatten auf dem Mond
     ist ein Teil eines Kreises. Aristoteles hat es erklärt. Es ist der Schatten einer Kugel, der Schatten der Erde. Die Sonne
     befindet sich auf der einen Seite von uns und leuchtet den Mond an wie eine Talglampe. Der Mond ist auf unserer anderen Seite.
     Wir werfen einen Schatten auf ihn. Im Halblicht des Schattens entsteht die rote Farbe.«
    Eine Weile war es still. Auf den Gesichtern zeigte sich Unsicherheit.
    Da rief Seyfrieds Sohn: »Die Erde soll einen Schatten werfen? Das ist ja lachhaft! Der Perfectus hat dieses Wunder bewirkt.
     Ihr werdet uns nicht für dumm verkaufen!«
    »Ihr seid doch Mönch«, sagte einer seiner Freunde. »Ihr gehört zur Kirche! Jahrelang habt Ihr Euch an uns bereichert. Damit
     ist jetzt Schluß!«
    William erwiderte: »Ich bin Franziskaner. Ich besitze nichts außer ein paar Büchern. Und was Ihr dort am Himmel seht, ist
     kein Zeichen! Es ist erklärbar. Es geschieht auf natürliche Weise, weil Mond und Sonne den Gesetzen Gottes gehorchen.«
    Eine Frau keifte: »Ach, und warum konnte der Perfectus dann vorhersagen, daß es passiert? Er hat uns das Zeichen für den fünften
     Februar angekündigt, und es ist der fünfte Februar. Ihr redet nur. Zeigt uns ein Wunder, wenn Gott auf Eurer Seite steht!
     Ihr könnt es nicht. Gott will die neue, reine Kirche. Die alte Kirche hat er verlassen.«
    William winkte dem Inquisitor. Zögerlich kam der Dominikaner näher. Die Wachen nahmen ihn in ihre Mitte. »Vergreift Euch nicht
     an einem Mann Gottes«, sagte William Ockham. »Ihr zieht Euch sonst den himmlischen Zorn zu.« Er befahl etwas im Flüsterton.
     Sie bewegten sich an der Klostermauer entlang, versuchten, an der Menschenmenge vorbeizugelangen.
    »Laßt sie gehen«, rief der Perfectus. »Sie können uns nicht mehr schaden.«
    William fragte leise: »Wo sind Eure Ritter?«
    |425| »Gefesselt und geknebelt im Refektorium des Klosters.«
    Sie trafen auf Venk von Pienzenau. William trat an ihn heran und sagte: »Das Kloster muß eine Hinterpforte haben. Holt Eure
     Hausknechte und dringt dort ein. Es gilt, einige Ritter zu befreien.« Den Dominikaner fragte er: »Was steht auf Gotteslästerung?«
    »Die Zunge wird dem Lästerer

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