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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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ihn hinmorden. Ein zweiter toter Inquisitor wäre eine Gefahr für den Thron.«
    »Ja, ja. Ich weiß. Ich bin Euch dankbar. Ihr habt den roten Mond gesehen?«
    »Ein natürliches Ereignis, das Euch nicht beunruhigen sollte.«
    »Er hat ihn vorhergesagt. Wieso kann er das?«
    |430| »Er hat in Toulouse studiert, heißt es. Dort gibt es Gelehrte der Astronomie. Möglicherweise hat er schon damals geplant,
     nach München zu gehen. Eine Mondfinsternis läßt sich lange im voraus berechnen. Es sind komplizierte Rechenwege, aber in Toulouse
     sind sie sicher dazu in der Lage.«
    »Mein Volk hält es für ein Wunder.«
    »Ich habe versucht –«
    »Sie halten ihn für einen Magier.«
    Der Kaiser war in keiner guten Gemütsverfassung. Er war erst zu Beginn der Woche wieder für gesund erklärt worden, der Giftanschlag
     hatte ihn arg geschwächt. Diese Heimsuchung aber brauchte einen mutigen, weisen Herrscher. »Was habt Ihr vor?« fragte William.
    »Noch heute nacht gehen Boten zu meinen Lehnsleuten. Die Kanzlei stellt gerade die Schreiben aus. Ich baue ein Heer auf und
     ziehe gegen die Aufrührer zu Felde.«
    »Wenn Ihr München angreift, wird viel Blut fließen.«
    »Was bleibt mir anderes übrig? Offener Aufruhr in meiner Residenzstadt – wenn das die anderen Städte hören, oder schlimmer
     noch, meine Feinde! Sie werden es als Schwäche werten und werden versuchen, ihren Nutzen daraus zu ziehen.«
    »Wie lange dauert es, bis das Heer steht?«
    »Dreißig Tage.«
    »Es muß einen Weg geben, der nicht bedeutet, daß Ihr Eure Untertanen dahinschlachten laßt.«
    »Wir haben diesen Amiel von Ax bereits zu lange gewähren lassen. Es ist die letzte Möglichkeit. Ich kann mich nicht der Gefahr
     des Scheiterns aussetzen. Es geht um meine Krone, es geht um das Wohl des ganzen Reichs! Ich stelle das Heer auf, daran gibt
     es nichts mehr zu rütteln, und ich ziehe die Aufständischen zur Rechenschaft. Wenn Euch vorher ein friedlicher Sieg gelingt,
     soll es mir recht sein. Dann löse ich den Heerhaufen wieder auf und schicke alle nach Hause. Aber ernsthaft, William, wie
     wollt Ihr das anfangen?«

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    Spatzen tschilpten. Etwas knisterte. Nemo öffnete die Augen. Er lag in einem Strohhaufen auf dem Boden. Sonnenlicht schien
     durch das Fenster in die Bauernstube. Neben ihm lag Adeline. Ihre Augen waren noch geschlossen. Bei jedem Atemzug weiteten
     sich leicht die zarten Nasenflügel. Der Anblick erfüllte ihn mit Glück.
    Er dachte: Bin ich wirklich gut genug, ein sauberes, schönes Leben zu führen? Bin ich gut genug für Adeline? Er konnte sich
     nicht auf sich selbst verlassen. Er hatte nie wie ein guter Mensch gelebt. Und er wußte nicht, wer er sein mußte in ihrer
     Nähe. Was, wenn er nicht der Richtige war, nicht der, den sie brauchte oder sich erhoffte? Wie konnte er rechtzeitig herausfinden,
     was sie von ihm erwartete?
    »Fang ruhig an, Mädchen«, sagte die Bäuerin. »Sie sind wach.«
    Ihre Tochter begann, mit einem Holzhammer auf Bündeln von Hanfstengeln herumzuschlagen. Adelines Augen öffneten sich. Sie
     gähnte und hielt dabei die Hand vor den Mund wie eine Hofdame. Sie schrak hoch.
    »Es ist gut«, sagte er. »Wir sind in Sicherheit.«
    Sie sah zur Bäuerin. Er tat es ihr gleich. Die Bäuerin nahm ein Bündel Hanfstengel von ihrer Tochter, breitgehämmerte Streifen,
     die sie in der Mitte packte und mit dem oberen Ende um Handgelenk und Unterarm schlang. Die Linke breitete den herabhängenden
     Teil zwischen den Zähnen einer Hechel aus, eines Bretts mit vielen Zinken, das auf einem Bock befestigt war. Die Bäuerin zog
     kräftig an den Stengeln. Die Halme zerfaserten. Sie glänzten silberweiß im Morgenlicht, wie weicher Bast.
    Eine Magd kam herein. »Nimm«, sagte die Bäuerin. Die |432| Magd nahm die Fasern und zupfte sie auseinander. Sie begann geschickt einen Faden daraus zu drehen und wickelte ihn auf eine
     Garnrolle auf. Währenddessen zupfte die Bäuerin den verbliebenen Werg aus den Zähnen der Hechel und warf ihn in eine Schale.
     Sie bekam neue Halme von ihrer Tochter.
    Niemand scherte sich um Nemo und Adeline. Er sagte leise: »Wir haben es geschafft. Wir sind am Leben und frei.« Er hoffte,
     daß sie lächeln würde, aber sie tat es nicht.
    Sie sagte: »Wir haben nichts zu essen. Was, wenn ich in Frankfurt keine Anstellung finde?«
    »Sie nehmen dich mit Kußhand, überall, glaub mir.«
    Adeline stand auf, klopfte sich die Strohhalme vom Kleid und versuchte, die Knitter aus

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