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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Pfisterbach überspannte. Dumpf gaben die Bohlen ihre Schritte
     wieder, wie Trommelschläge auf einer Pauke. Es roch nach frischem Brot. Im Erdgeschoß des Rechthauses befand sich die Verkaufshalle
     der Bäcker. Über der Flügeltür stand in grünspanigen Kupferlettern geschrieben:
domus praetorialis.
    Die Wiese am Kaltenbach war von gelben Blüten übersät. Hahnenfuß streckte sich überall aus dem Gras in die Höhe, hin zur Sonne.
     Am Ufer standen Hütejungen und tränkten ihre Tiere. Breithüftige Frauen wuschen daneben Wäsche. Am Ende der Wiese drehte sich
     ein Mühlrad knarrend im Strom.
    Mathilde trat auf die äußere Stadtmauer und das Isartor zu. Wall und Tor waren so hoch, als seien sie für Riesen gebaut. Sie
     verlangsamte ihre Schritte. Weshalb kamen Wachen die |14| Treppen von der Mauer hinuntergestiegen, acht Männer, dann zehn, dann zwölf? Der Hauptmann befahl etwas, und die Männer zogen
     prüfend die Schwerter einen Fingerbreit aus den Scheiden. Ein Bauer redete auf den Hauptmann ein. Sie kniff die Augen zusammen.
     Das war kein Bauer. Der Mann trug einen staubigen Kittel, weil er wollte, daß man ihn für einen Bauern hielt, aber an seinem
     Finger blinkte ein silberner Ring, und er gestikulierte auf eine Weise, wie es nur ein Mann tat, der zu reden gewohnt war.
     Ein Spitzel? Der Hauptmann hörte ihm zu und nickte finster. Dann rief er: »Zu den Pferden!«
    Sie verstand nicht, was da geschah. Es verstärkte ihre Unruhe. Der Hauptmann drehte sich um und sah sie an. Hatte er bemerkt,
     daß sie ihn beobachtete? Sie ging rasch unter dem Steinbogen des Isartors hindurch. Auf der anderen Seite, vor der Stadtmauer,
     brachten Zöllner gerade das Zollzeichen an einem Wagen an. Die Pferde schnaubten ungeduldig und ruckten nach vorn. Die Schließen
     und Ketten am Gestänge klirrten, aber die Wagenbremse hielt. Sie sah sich um. Folgte ihr der Hauptmann? Nein. Sie trat aus
     dem Schatten des Tors in das Sonnenlicht, beschirmte die Augen.
    Weit öffnete sich vor ihr die Isarniederung. Sie lag wie ein grünes Bett unter dem wolkenlosen blauen Himmel. An das Flußufer
     duckten sich Lagerhäuser. Dazwischen warteten Holzstapel, Fässer und Kisten auf ihre neuen Besitzer. Weiße Funken glitzerten
     auf den Wellen der Flußarme. Über die Isarbrücke wanderten Menschen herbei, mit bunten Bändern, sie wollten zur Jacobidult.
     Inmitten der Menschen Ochsen und Fuhrwerke.
    An der Lände hatten zwei Flöße angelegt, Vierundzwanzigstämmer, mit einem Seil aneinandergebunden. Die Flößer luden Pechfässer
     auf. Vater stand dabei in seinem strahlend weiß gebleichten Hemd und redete mit zweien. Einer davon war dick und kurzhaarig,
     Trumm hieß er, sie kannte ihn. Kein Kaufmann verstand sich so gut mit den Flößern wie Vater. Er hatte Trumm sogar schon zu
     ihnen nach Hause eingeladen.
    |15| »Vater«, rief sie.
    Er drehte sich zu ihr um. Ein breites Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Komm her, Töchterchen, du störst nicht.« Er winkte
     ihr. »Komm her zu uns! Hat der Eichmeister uns schon wieder Strafgeld aufgebrummt?«
    Sie lief den Hang hinunter. »Es war jemand im Warenhaus«, stieß sie hervor, außer Atem, als sie bei ihm anlangte.
    Vater legte ihr den Arm um die Schulter. »Sollen dir die Flößer etwas mitbringen? Aus Südtirol? Wünsch dir etwas.«
    »Hörst du nicht? Jemand war im Warenhaus und hat nach dir gefragt!«
    »So? Wer war es?« Er ließ sie los und bückte sich nach einem Kieselstein. Geschickt ließ er ihn über das Wasser springen.
     »Komm, versuche mich zu schlagen! Fünfmal ist meiner gesprungen.«
    »Ein Greis. Er sagte, er sei ein Freund. Er hat nach dir gefragt, und nach Mutter.«
    »Ein Greis?« Vater blinzelte in die Sonne. »Hast du ihn nach seinem Namen gefragt?«
    »Nein. Aber er hat dich Nemo genannt. Er sucht Nemo. Das hat er gesagt.«
    Das Lächeln in Vaters Gesicht erstarb.
    »Mein Gefühl sagt mir, daß da etwas nicht stimmt. Daß er gefährlich ist.«
    Vater sah ihr in die Augen. »Mathilde, hör mir zu. Du läufst nach Hause zu deiner Mutter und verriegelst alle Türen. Laßt
     niemanden ein. Niemanden! Und ich möchte nicht, daß du zum Fenster gehst, oder deine Mutter, ihr schaut nicht hinaus, hörst
     du? In den nächsten Tagen geschehen Dinge, die du nicht verstehen wirst.« Er blickte zum Tor hinüber. »Ver flucht . Du darfst nie daran zweifeln, daß ich dich liebe. Hast du mich verstanden? Jetzt lauf.« Er drehte sie mit seinen Händen
     um und gab

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