Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
so an? Sie verrichtete Strafarbeiten,
     seit Tagen tat sie das. Es war der Wunsch der Gräfin. Giselberga sprach nicht mehr mit Adeline. Dabei hatte doch sowieso niemand
     das Gerücht geglaubt. Weder Giselberga noch William Ockham traute man eine Liebschaft zu.
    Sie tauchte das Waschbrett in den Bottich und schrubbte mit einem Wäschestück darüber. Ihre Fingerknöchel schlugen gegen die
     Streben. Wenn sie durch die harte Arbeit wenigstens die Gunst der Gräfin zurückgewinnen könnte! Aber es war aussichtslos.
     Sie war gefallen. Sie hatte Giselbergas Schutz für immer verloren.
    Knochen sprang auf die Beine. Die braunen Hängeohren ruckten, der Blick war starr auf die Tür gerichtet. Seine Nase weitete
     sich. Was witterte er? Adeline ließ das Wäschestück ins Wasser sinken und stand auf. Ihr Herz zitterte. Kam er, sich zu rächen?
     Sie hatte den Mord verraten, sie hatte Amiel von Ax in Schwierigkeiten gebracht. Er würde das nicht auf sich sitzen lassen,
     dessen war sie sicher.
    Die Tür schwang auf. Einer der Knechte trat ein. Von beiden Händen baumelten tote Vögel. Der Hund fiepte. Er stieß sie mit
     der Schnauze an. Es war nichts. Wieder hatte sie sich umsonst geängstigt.
    So geht es nicht weiter, dachte sie, ich kann so nicht leben. Sie wischte die nassen Hände an der Schürze ab. »Komm«, sagte
     sie und ging zur Tür. Auf dem Hof blieb Knochen stehen. Sie folgte seinem Blick. Zu den Löwenkäfigen sah er hin. Dort schob
     man gerade mit langen Spießen rohes Fleisch zwischen den Eisenstangen hindurch. Die Löwen kamen hochmütig heran, schnupperten,
     begannen zu fressen.
    |199| »Da hast du Respekt, nicht wahr?« Sie streichelte Knochen den Kopf. »Den Löwen würdest du nichts wegschnappen.« Genau das
     war sie: Ein Fressen für den Löwen Amiel. Sie kannte nur einen, der ihm gewachsen war.
    Vor dem Aufgang zu William Ockhams Gemach wies sie auf den Boden und sagte: »Bleib! Leg dich hin!« Aber die Bracke hörte nicht
     darauf. Sie folgte ihr die Treppe hinauf.
    Der kaiserliche Leibarzt, Doktor Marsiglio Raimondini von Padua, stand in Williams Tür. Plötzlich wurde sich Adeline ihrer
     schmutzigen Schürze bewußt, der nassen, geröteten Arme, der ungekämmten Haare. Sie wußte gar nicht mehr, was sie sagen wollte,
     mit welchem Recht sie den englischen Gelehrten bei der Arbeit störte, was ihn ihr Schicksal überhaupt anging. Unmöglich konnte
     sie in das Gespräch des Leibarztes mit dem Gelehrten hineinplatzen. Sie lief weiter die Treppe hoch, vorüber an Doktor Marsiglio.
    »Der Klosterfriedhof ist bei den Münchner Bürgern beliebt«, hörte sie den Leibarzt sagen. »Jedes Begräbnis bringt eine gute
     Gebühr in die Baukasse.«
    Hatte er sie bemerkt? Im oberen Stockwerk kauerte sie sich nieder und hielt Knochen den Kopf. Er durfte jetzt keinen Laut
     von sich geben. Der Leibarzt war ihr nicht geheuer.
    »Trotzdem werde ich noch eine lange Zeit am Kaiserhof bleiben«, antwortete der Engländer. »Das Geld reicht einfach nicht,
     um das Kloster zügig wieder aufzubauen. Die Mönche schlafen derzeit in einem ehemaligen Hühnerstall, wußtet Ihr das?«
    »Wie kommt Ihr mit Eurem
Dialogus
voran?« fragte Marsiglio. Er hatte das Gesicht eines Kleinkinds, das uralt geworden war. Über den Augen nackte Haut, fast
     keine Brauen. Jeden Morgen ging er zum Kaiser, um ihm einen Schutztrank gegen Vergiftung zu verabreichen. Verbarg sich im
     Arzt ein Hexer?
    »Ich würde besser vorankommen, wenn Ihr mich nicht fortwährend von der Arbeit abhalten würdet.«
    Hinter der Tür zu ihrer Rechten hörte sie leises Lautenspiel. |200| Hadamar von Laber übte ein neues Lied. Der Minnesänger dämpfte offenbar bewußt seine Stimme, niemand sollte hören, wie er
     die rechten Töne suchte, abbrach, von neuem ansetzte.
    Der Leibarzt verabschiedete sich gekränkt, er sagte: »Ja, schon recht« und zog die Tür zu. Er stieg die Treppe hinab. Die
     Stufen knarrten. Knochen sah Adeline erwartungsvoll an. Aus seinem Maul roch es, als habe er Mist gefressen. Der treue, gehorsame
     Blick stimmte sie nachsichtig.
    Sie erhob sich. Zögerlich schlich sie Stufe für Stufe hinunter. Sie mußte ihn um Hilfe bitten! Was blieb ihr anderes übrig?
     Wenn William ihr nicht half, würde Amiel sie erwischen und ihr einen Dolch in die Brust stoßen.
    Sie klopfte.
    »Was ist es nun wieder?«
    Er klang ungehalten. Und wenn sie rasch ging? Er würde denken, er habe sich das Klopfen eingebildet. Nur weil sie einmal in
     seinem Bett

Weitere Kostenlose Bücher