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Das Nebelhaus

Das Nebelhaus

Titel: Das Nebelhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Berg
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nicht besonders gut kannte, hätte ich bereitwillig Auskunft über Gallensteinoperationen, eingewachsene Zehennägel, Schilddrüsenprobleme und andere höchst private Dinge gegeben – wenn jemand dagegen über Geld sprach, starrte ich ein Loch in den Boden und drückte mich mehr als vage aus. Die Frage hatte mir auf der Zunge gelegen, doch ich hatte sie als zu intim empfunden, obwohl ich mit Yasmin über objektiv viel Intimeres gesprochen hatte. Im Nachhinein ärgerte ich mich darüber.
    Bevor ich in Tante Agathe einstieg, hörte ich zum ersten Mal seit meiner Abfahrt von Hiddensee die Mailbox ab. Ich rechnete damit, dass Yim eine oder mehrere Nachrichten hinterlassen hatte, erlebte jedoch zwei Überraschungen. Die eine war, dass Yim nicht angerufen hatte, was mich verstörte, ohne zu begreifen, warum. Die andere war, dass sich Steffen Herold, Leonies Exfreund, endlich gemeldet hatte. Ich hatte ihn seit Tagen beharrlich mit SMS und Nachrichten auf der Mailbox traktiert, dementsprechend unfreundlich klang er.
    »Sie gehen mir auf die Nerven, Gnädigste. Unterlassen Sie das!«
    Ich hatte nicht die Absicht. Vielmehr rief ich ihn erneut an, und diesmal ging er ran.
    »Hören Sie mal, Sie treiben es echt zu weit. Ich habe mit dieser Scheiß-Geschichte von damals nichts zu tun, wann kapieren Sie das endlich?«
    Mein Instinkt sagte mir, dass ich bei ihm mit Süßholzgeraspel nicht weiterkam. »Herr Herold, die Sache sieht so aus: Wenn Sie nicht mit mir reden, bleibt mir keine andere Wahl, als meinem Artikel die Sichtweise von Leonies Mutter zugrunde zu legen.«
    Meiner Erfahrung nach findet sich kaum jemand auf dieser Welt, der die Sichtweise seiner Schwiegermutter unkommentiert lassen möchte, schon gar nicht in einer so heiklen Angelegenheit. Und Margarete Korn hatte an ihrem Quasi-Exschwiegersohn herbe Kritik geübt.
    Offenbar hatte ich den richtigen Ton getroffen, denn er sagte: »Ich muss nachdenken. Ich melde mich, oder auch nicht.« Damit legte er auf.
    Ich war wirklich froh, dass Steffen Herold angerufen hatte, denn er war eine Lücke im Puzzle. In meinem Kopf entstanden die ersten Skizzen für eine gewagte These, die von jener der Polizei deutlich abwich. Wenngleich mir noch vieles unklar war, hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, dass ich einer Sache wirklich nahekommen könnte.
    Ich schloss gerade das Auto auf, als jemand von der Seite an mich herantrat.
    Es war Yim.
    »Ich habe dich gesucht«, sagte er. »Also hatte ich den richtigen Riecher – du warst bei Yasmin. Ich bin ein paarmal um den Block gelaufen. Dann habe ich dein Auto hier stehen sehen … Es ist wirklich leicht zu entdecken.«
    »Ach, Yim«, seufzte ich schwer. Mir wäre es lieber gewesen, er wäre vorläufig auf Hiddensee geblieben, und wir hätten uns erst in einigen Wochen ausgesprochen. Andererseits freute ich mich aber auch, ihn zu sehen. Ich sah ihn verdammt gerne, hörte gerne seine Stimme, und wenn er einen Schritt auf mich zuging, war mein erster Instinkt, dasselbe zu tun.
    »Warum bist du mir nachgefahren?«, fragte ich.
    »Zuerst wollte ich das nicht, gekränkte Eitelkeit, Verlassenwerden, Wunden lecken, Trotz. Aber dann habe ich mich zu sehr über dich geärgert, um einfach nur stillzusitzen. Inzwischen bin ich … ich weiß auch nicht … irgendwas von allem.«
    » Du hast dich geärgert? Mit dem, was du mir verschwiegen hast, könnte man eine ganze Tageszeitung füllen.«
    »Höchstens die Wochenendbeilage.«
    Meine Lippen versagten den Gehorsam und verbreiterten sich zu einem kurzen Lächeln. Dann runzelte ich die Stirn. »Lass das«, erwiderte ich. »Das ist nicht lustig, sondern eine sehr ernste Sache. Du hast mich angelogen, als ich dich gefragt habe, wann deine Eltern und du nach Deutschland gekommen seid. Und sag mir jetzt nicht, das wäre nur eine kleine Lüge gewesen. Du wusstest genau um die Bedeutung.«
    »Lügst du nie, wenn es um Familiengeheimnisse geht?«
    »Mein Vater hat sich umgebracht, weil sein Sohn ermordet wurde und ihm seine Frau und seine Tochter nichts mehr bedeuteten, und meine Mutter gibt mir in ihrem tiefsten Innern die Schuld an beiden Unglücken. So viel ist klar: Das schmiere ich nicht jedem aufs Butterbrot, der mir über den Weg läuft. Aber wenn mein Vater ein Massenmörder wäre, würde ich mich offensiv damit auseinandersetzen.«
    »Das kannst du nicht beurteilen, weil du nun mal nicht das Kind eines Massenmörders bist. Wenn und falls, dann würde ich – das ist schnell

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