Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
wenn ich höre, dass man ihn gefangen hat. Er ist schon einmal ausgebrochen, du warst damals in der elften Klasse. Vielleicht erinnerst du dich, dass ich dich ein paar Tage zur Schule begleitet habe, angeblich, weil ich im Dorf etwas zu erledigen hatte. In Wahrheit habe ich auf dem Schulhof Wache gehalten. Das hatte ich mit dem Rektor und der Polizei abgesprochen. Aber damals hat man Keijo zum Glück schon in Kuopio geschnappt. Hoffentlich diesmal auch.
    Pass gut auf dich auf.
     
    Dein Onkel Jari
    Hinter die Unterschrift hatte Onkel Jari mit großer Sorgfalt einen Luchs gezeichnet. Das war unser Geheimzeichen, seit Frida zu uns gekommen war. Onkel Jari war ein ganz passabler Zeichner gewesen. Nachdem er den Brief geschrieben hatte, war er offenbar nach Kaavi gefahren, um ihn einzuwerfen, und dann nach Hevonpersii zurückgekehrt, wo er am selben Abend ertrank. Da seine Leiche erst nach einigen Tagen gefunden wurde, war es schwierig gewesen, die exakte Todeszeit festzustellen. Matti Hakkarainen hatte sich gewundert, als Jari nicht zur Sitzung der Weginstandhaltungsgenossenschaft erschien, und war daraufhin nach Hevonpersii gefahren, um nach dem Rechten zu sehen. Da sich Jari nicht blicken ließ und sein Ruderboot nicht am Ufer lag, hatte sich Hakkarainen Sorgen gemacht und sein Motorboot geholt. Er hatte das Boot meines Onkels am gegenüberliegenden Ufer gefunden und seine Netzschwimmer im Sund vor Hevonpersii entdeckt. Als Hakkarainen merkte, wie schwer das Netz war, hatte er die Taucher vom Rettungsdienst und die Polizei alarmiert. Sie hatten den ins Netz verstrickten Jari und zwei tote Plötzen gefunden.
    An Mary konnte ich meine Wut nicht mehr auslassen, zudem hätte ich meinen Onkel ohnehin nicht retten können, selbst wenn ich den Brief sofort erhalten hätte. Er war wohl angekommen, als ich auf einer Studienreise in Montreal und auf dem Reithof der Eltern meines Studienkollegen Benoit war. Dort hatte ich von Onkel Jaris Tod erfahren. Vielleicht hatte Mary den Brief in die Schublade gelegt, um ihn nicht zu verlieren, dann aber vergessen, dass sie ihn in Empfang genommen hatte.
    Ich hielt den Brief ans Gesicht und erinnerte mich an Onkel Jaris runde, rote Wangen, an die braunen Haare, die ihm lockig in die Stirn fielen, und an den Bart, der ihm sehr schnell auf der Brust hing, wenn er vergaß, ihn zu schneiden. Zum Schluss war mein Onkel kleiner gewesen als ich, denn ich war hoch aufgeschossen wie mein Vater. Von ihm war mir nur in Erinnerung geblieben, dass er mir als Kind riesig und ziemlich furchteinflößend erschienen war, aber ich war mir nicht sicher, ob sich das Furchtgefühl erst nachträglich in meine Erinnerung eingeschlichen hatte, als ich allmählich begriff, was mein Vater meiner Mutter angetan hatte.
    Man hatte Vanamo erzählt, ihr Vater sei ein böser und kranker Mann, der nun hinter Schloss und Riegel seine Sünden abbüße und mit Gottes Hilfe auch wieder gesund werden könne, aber keinen Anteil am Leben von Vanamo und ihrer Mutter Saara habe. Saara hatte Vanamo auf die Begegnung mit mir vorbereitet. Zum Glück kannte das Mädchen im Kreis der Sekte viele Familien, in denen der Altersunterschied zwischen den Geschwistern groß war, sodass die zwanzig Jahre, die zwischen uns lagen, sie nicht erstaunten, auch wenn sie darüber lachen musste, dass ich älter war als ihre Mutter.
    «Hast du bei unserem Vater gewohnt, als du noch klein warst?», hatte Vanamo bei unserem zweiten Treffen gefragt, als wir im Stall die Kälber fütterten. «War er damals noch nett?»
    «Ich habe nicht viele Erinnerungen an ihn. Manchmal hat er mir ein Lied vorgesungen:
Wir sind nicht aus Eisen
. Das mochte ich besonders gern. Vater hat immer gelacht, wenn er es gesungen hat.»
    Ich schluckte, denn auf diese Erinnerung hätte ich gern verzichtet. Natürlich konnte ein Teufel auch verführerisch sein, ein Liedchen trällern und sein Kind im Takt auf den Beinen schaukeln.
    «Dann war er irgendwann mal nett, bevor er krank geworden ist. Manchmal werden Menschen krank.» Vanamo hatte altklug geseufzt und ein schwarz geschecktes Kalb an ihrer Hand lecken lassen. «Mutter sagt, vielleicht kann ich Vater einmal sehen, wenn er wieder gesund wird. Und du? Gehst du ihn dann auch besuchen?»
    «Mir hat man gesagt, er ist unheilbar!», rief ich lauter als beabsichtigt, und das Kälbchen zog sich erschrocken zurück. «Aber so genau weiß ich es nicht, das wissen nur die Ärzte», versuchte ich zu beschwichtigen.
    «Und Gott. Wer ist

Weitere Kostenlose Bücher