Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
das?»
    Juri legte drei größere Holzscheite ins Feuer, sodass die Flammen hochschlugen. Er irrte sich: Auch David kannte Rytkönens wahren Mörder. Wenn Juri davon wüsste, würde er mich wahrscheinlich ins Feuer stoßen.
    Er holte das zusammengerollte Bild aus dem Rucksack. Ich erinnerte mich an Saara Huttunens Worte über den Pfarrer und die Vergebung. In der russisch-orthodoxen Kirche, der Juri angehörte, war das Mysterium der Reue eines der Sakramente. Die Geistlichen waren strikt an das Beichtgeheimnis gebunden. Ich selbst würde allerdings niemandem meine Geheimnisse anvertrauen, denn Wissen war Macht. Wussten die Mönche, die mit Jaan Rand alias Bruder Gianni in der Kirche fromme Lieder sangen, welche Sünde ihren Mönchsbruder aus dem fernen Estland in das toskanische Kloster getrieben hatte? Wie konnten sie sexuellen Missbrauch an Kindern vergeben? Mir war es schon als Kind leichter gefallen, an den strengen Gott des Alten Testaments zu glauben als an sein laues Pendant im Neuen Testament, das der Menschheit die Vergebung der Sünden beschert hatte. Dieser neue, gnädige Gott hatte es sich bequem gemacht, er hatte es einem anderen, seinem eigenen Sohn, überlassen, sich zu opfern. Außerdem gefiel es diesem Gott, den Menschen Prüfungen aufzuerlegen. Auch David hatte er mit nichts als einer Schleuder bewaffnet gegen Goliath geschickt.
    Aber der biblische David hatte überlebt, fiel mir ein, und Abraham hatte Isaak schließlich doch nicht töten müssen. Ich erinnerte mich an einen Gospelgottesdienst, den ich in Harlem besucht hatte. Es war wie im Kino: Üppige schwarze Frauen sangen das Lob des Herrn, die ganze Kirche swingte, und alle liebten einander. Sogar ich skeptisches Bleichgesicht hatte mich mitreißen lassen.
    Juri betrachtete sein Gemälde. Ich dagegen sah ihn vor mir, wie er kraftlos im Schnee gekniet und geschluchzt hatte. Ohne ihn hätten damals zwei Tote im Schnee gelegen, Laitio und ich – das heißt, Rytkönen hatte ja geglaubt, Reiska vor sich zu haben.
    «Es stört dich hoffentlich nicht, dass ich dein Bild verbrenne?», fragte Juri und schob die Leinwand ins Feuer. Es dauerte lange, bis die Flammen sie erfassten, Juri musste sie mit einem Wurstspieß zurechtschieben und bekam Rauch in die Augen.
    «Ich glaube nicht an Voodoo.»
    «Aber der Verstand kann nicht alles erklären!»
    Ich dachte an meine Gefühle für David und gab zu, dass Juri recht hatte. Endlich fraß sich das Feuer in die von der Ölfarbe steife Leinwand, dicker Rauch stieg auf. Juri holte den Tee und die belegten Brote hervor, die Würstchen mussten warten, bis das Feuer nur noch glühte. Falls der Bebauungsplan, den Juri für Syrjänen entworfen hatte, genehmigt wurde, würden an dieser Stelle reihenweise Tennisplätze entstehen, die sich auf dem ebenen Gelände mühelos anlegen ließen.
    «Wie sieht der Zeitplan für Syrjänens Bauvorhaben aus? Dauert es nicht Jahre, den Bauleitplan zu ändern?»
    «Usko versucht, eine Person seines Vertrauens in das zuständige Ministerium zu bringen. Deshalb bereitet ihm die bevorstehende Wahl solche Sorgen. Es besteht die Gefahr, dass die falschen Parteien gewinnen. Warum in aller Welt stellt ihr Finnen solch einen Kasten in diese schöne Umgebung?», fragte Juri und zeigte auf ein Gebäude, das vor ein paar Jahren am Ufer errichtet worden war, ein privates Wohnhaus, das wie ein Lotsenbunker aussah. «So kalt und modern. Das wird natürlich abgerissen, es passt nicht zum Gesamtbild. Ich entwerfe viel schönere Häuser. Weiche, geschwungene Formen, Zierschnitzereien. Häuser, die mit der Landschaft verschmelzen.»
    Über dem Eis zog eine große flatternde Gestalt ihre Kreise. Ein Seeadler auf der Suche nach Beute. Vielleicht genügten ihm die kleinen Fische, die die Eislochangler übrig gelassen hatten, andernfalls musste er über den Wald fliegen und Feldhasen suchen. Ich machte Juri auf den Vogel aufmerksam.
    «Er nistet irgendwo in der Nähe. Ihr dürft ihn nicht vertreiben, und die Luchse auch nicht. Deren Spuren sieht man hier oft.»
    «Du und deine Luchse. Soll ich dir einen als Haustier besorgen? Ihr würdet ein schönes Bild abgeben.»
    Ich hatte Juri nie von Frida erzählt, nur einmal wäre mir die Geschichte beinahe entschlüpft. Und ich wollte nicht noch einmal einen zahmen Luchs, der nicht allein in der Welt zurechtkam.
    «Wir brauchen jetzt keinen Luchs, sondern eine Waffe.» Ich goss schwarzen Tee in den Becher und gab einen Löffel Buchweizenhonig hinzu. Der Tee war

Weitere Kostenlose Bücher