Das Nest des Teufels (German Edition)
Schlaftabletten? Dein Arzt würde dir doch ein ungefährliches Präparat verschreiben. Ärzte unterliegen der Schweigepflicht. Hast du etwa keinen Hausarzt, dem du vertraust?»
Syrjänen seufzte. Er möge keine Ärzte, erklärte er, er wolle nicht, dass sich irgendwer in sein Leben einmische. Einen Moment lang fühlte ich eine Art Übereinstimmung zwischen uns: Wir schätzten beide unsere Freiheit. Doch dann dachte ich wieder daran, dass wir keineswegs ähnliche Ziele verfolgten und dass Syrjänen mit dem Feind, mit Gezolian, verbündet war. Aber waren Davids Feinde automatisch auch meine Gegner?
Ich gab Syrjänen das vage Versprechen, Augen und Ohren offen zu halten. Am nächsten Tag kehrten wir nach Långvik zurück, und am Mittwoch beschlossen Juri und ich, unseren Ausflug nach Kopparnäs zu machen. Syrjänen und Julia wollten den ganzen Tag in der Villa verbringen, durch Tore, Überwachungskameras und Alarmanlagen geschützt. Ich hatte Blogs und Webseiten der Klatschzeitungen überflogen, aber keine Nachricht darüber gefunden, dass einem prominenten Geschäftsmann der Magen ausgepumpt worden war. Gab es doch nicht an jeder Ecke Klatschbasen und Denunzianten, wie ich immer geglaubt hatte?
Es war ein sonniger Frühlingstag, die Meisen lärmten in den Bäumen, und der Schnee begann zu schmelzen. Wir hatten Schneeschuhe mitgenommen, doch es war so anstrengend, durch den weichen Schnee zu stapfen, dass wir schon beim ersten kleinen Hügel außer Atem gerieten. Dort ragte ein mehr als zwei Meter hoher Turm aus Steinen auf. An der höchsten Stelle von Kopparnäs stand ein weiterer, der fast drei Meter maß. Ich fragte mich schon seit Jahren, wer sie errichtet hatte. Die Türme konnten nicht sehr alt sein, denn die Steine hatten kein Moos angesetzt, außerdem schienen immer wieder neue Brocken hinzuzukommen. Vielleicht hatte irgendjemand aus einer Laune heraus die ersten Steine aufgeschichtet, und später hatten andere Wanderer ihren Stein dazugelegt. Womöglich handelte es sich auch um die Performance eines Konzeptkünstlers. Mary Higgins hatte Streichholzschachteln aus aller Welt gesammelt und in einer Kupferschüssel in ihrem Wohnzimmer aufbewahrt. Eines Nachts hatte sie dann im Rausch beschlossen, die Streichholz-Performance zu beenden, und alle gleichzeitig angezündet. Der Feuermelder hatte das ganze Viertel aufgeweckt, bevor ich die Flammen löschen konnte.
«Usko will hier ein Feriendorf bauen, und Gezolian ist der Hauptgeldgeber. Für ihn ist das Projekt eine Art Revanche dafür, dass er dieses Gebiet verlassen musste, als Stalin es nicht mehr brauchte. Aber Gezolian finanziert das Vorhaben nicht nur deshalb oder aus purer Menschenliebe», erzählte Juri, als wir über die Felsen zu dem Weg hinabkletterten, der zum Gasthof führte.
«Das hier ist ein öffentliches Naherholungsgebiet. Wie will Syrjänen es in seinen Besitz bringen?»
«Er glaubt, dass in der neuen Regierung die Vernunft siegen wird. Es lohnt sich nicht, gute Ufergrundstücke ungenutzt zu lassen. Wenn bei uns in Russland Putin beschließt, dass eine Autobahn gebaut wird, dann wird sie gebaut, auch wenn Omas Häuschen dafür weichen muss. Und Syrjänen plant ja nichts Illegales, er leistet nur Lobbyarbeit. Ihr Finnen braucht dringend Touristen, die Geld ins Land bringen, und die liefert Usko mit Gezolians Hilfe.»
Juri trug einen Rucksack, in dem er sein verräterisches Gemälde verstaut hatte. Außerdem befanden sich darin eine Thermosflasche mit Tee, belegte Brote, Würstchen und Senf. Wir hatten vor, zuerst auf den Tanzboden des Gasthofs zu gehen und dann einen Grillplatz zu suchen, an dem wir ungestört waren. Beim Verbrennen des Bildes durfte uns niemand beobachten.
«Wusste Martti Rytkönen, dass sich Gezolian für Kopparnäs interessiert?»
«Nein. Er sollte nur Stahl ausfindig machen und die SR - 90 -Isotope aufspüren, die Stahl behalten hatte. Gezolian hatte von Dolfini, der später in Italien umgebracht wurde, den Hinweis bekommen, Stahl habe das Zeug nach Finnland gebracht. Rytkönen wusste nicht einmal, wo Kopparnäs liegt. Ich habe ihn hergeführt, in den Tod.»
Je näher wir dem Gasthof kamen, desto ernster wurde Juris Miene. Auf dem Parkplatz standen ein paar Wagen, vor dem Eingang rauchte jemand. Ich vermied es, zum Nebengebäude Kupfer Drei zu blicken, wo ich David beinahe erschossen hätte und dann zum ersten Mal mit ihm ins Bett gegangen war. Als ich nach Juris Hand fasste, verschränkte er seine Finger mit meinen. Er
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