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Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Luxushotel am Central Park gebucht, und ich freute mich schon darauf, auf den verschlungenen Parkwegen zu joggen. Während meiner Ausbildung hatte ich im Südteil Manhattans gewohnt, war aber ab und zu mit der U-Bahn zum Central Park gefahren, obwohl es auch in meiner Wohngegend gute Joggingstrecken gab. Mein Lieblingsplatz war die Stelle am Hudson River gewesen, an der man nur den Kopf zu drehen brauchte, um sowohl die Freiheitsstatue als auch das Empire State Building zu sehen.
    Als wir uns Manhattan näherten, stieg mir der Geruch der Stadt in die Nase. Die Mischung aus Schmutz, Benzin und menschlichem Schweiß, angereichert mit dem Aroma von verbranntem Zucker, war kein angenehmer Geruch. Dennoch wirkte er beruhigend. Die Straßenzüge in Queens waren schmuddelig, doch die Silhouette von Manhattan sah fast genauso aus wie damals, als ich die Stadt verlassen hatte. Nur Ground Zero bezeugte, dass Zeit vergangen war.
    Julia hatte für sich eine Suite und für mich das angrenzende Zimmer reserviert, das durch eine Tür mit der Suite verbunden war. An meinem Zimmer war nichts auszusetzen, es war so groß wie die ganze Hütte in Hevonpersii, und vom Fenster aus blickte man auf den Park. Wir duschten, und da es zu regnen aufgehört hatte, beschlossen wir, zu Fuß zu dem Brautausstatter an der 5 th Avenue zu gehen, wo Julia einen Anprobetermin hatte. In Helsinki zog sie die Blicke auf sich, aber auf den Straßen von New York war sie nur eine unter vielen schönen, für teures Geld in Form gebrachten jungen Frauen, die es schafften, auf Zehnzentimeterabsätzen zu gehen, ohne zu stolpern.
    Ich hatte meine Glock zu Hause gelassen, war mir allerdings nicht ganz sicher, ob diese Entscheidung richtig gewesen war. Die Wächter an der Tür des Brautkleidgeschäfts waren bewaffnet. Sie musterten mich genau, um festzustellen, ob ich ein Holster trug, aber eine Leibesvisitation blieb mir erspart. Im Schaufenster und im vorderen Teil des Geschäfts waren nur Kleider für Halbreiche ausgestellt, deren Preis um die zehntausend Dollar lag und die meiner Meinung nach wie Sahnetorten aussahen, eins schlimmer als das andere. Ich hatte den Entwurf von Julias Brautkleid gesehen, sie würde vier Brautjungfern brauchen, die die Schleppe trugen. Diese Aufgabe war ihren Moskauer Freundinnen zugedacht.
    Da meine einzige Aufgabe darin bestand, zu warten, schickte ich Mike Virtue eine SMS und fragte ihn nach seinem Zeitplan für den nächsten Tag. Mike wohnte im Osten von Manhattan, nur einige Stationen von der Sicherheitsakademie Queens entfernt. Als er seine Schule in den 1990 er Jahren gründete, war es kein Problem gewesen, in Queens eine leerstehende Industriehalle zu finden, die er umbauen lassen konnte. Vorlesungen im eigentlichen Sinn gab es nur etwa zwei Stunden täglich, daher hatte die Schule nur zwei Klassenräume mit Tischen und Stühlen. Dort büffelten wir Gesetzgebung und Geschichte, denn Mike war der Ansicht, man könne heutige Situationen nicht verstehen, wenn man nicht wusste, wie sie entstanden waren. Ich hatte verblüfft festgestellt, dass die in den USA geborenen Kursteilnehmer so gut wie nichts über die Geschichte Europas wussten. Außer mir nahmen fünf weitere Ausländer und Ausländerinnen an dem Kurs teil, aus Japan, Italien, Kanada und zwei aus Mexiko, und die amerikanischen Teilnehmer waren ethnisch bunt gemischt: Afroamerikaner, Latinos und Rednecks aus Nebraska. Wir Frauen waren zum Glück nicht anders behandelt worden als die Männer.
    Mike antwortete fast umgehend. «Willkommen in New York, Hilja! Morgen würde es hervorragend am Nachmittag passen, denn der Jahrgang siebzehn übt Seerettung, und damit habe ich nichts zu tun. Ich bin fast allein in der Akademie. Kommst du um zwei Uhr?»
    Ich musste lächeln. Es war Mike immer schwergefallen, seine Schüler von anderen unterrichten zu lassen, obwohl selbst er kein Allround-Experte war. Für das Seerettungstraining waren zu meiner Zeit zwei ehemalige Soldaten der Marineinfanterie zuständig gewesen, neben denen der machtlüsternste Feldwebel der finnischen Armee nur ein armseliges Würstchen war. Die beiden Exsoldaten hatten Frauen verachtet; ihrer Ansicht nach hatten sie bei der Armee nichts zu suchen und taugten auch bei der Polizei nur für Büroarbeiten. Ich hatte natürlich einen der beiden, einen hundertzwanzig Kilo schweren Rambo, aus dem eiskalten Hudson bergen müssen, und der Kerl hatte einen Selbstmordkandidaten gespielt, der nicht davor zurückschreckte,

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