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Das Nest

Titel: Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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holte Lindsay einmal tief Luft und meldete ein R-Gespräch zur Redaktion an. Cliff Gilbert höchstpersönlich hob ab. »Hör gut zu«, begann sie. »In Brownlow Common ist ein Mord geschehen. Ich hab’ mit den Bullen hier geredet, und das Starke an der Story ist, daß es sich bei dem Kerl mit dem eingeschlagenen Schädel um den Anführer der hiesigen Opposition gegen das Frauencamp handelt. Ich hab’ jetzt schon genug zum Durchgeben, alles, was ich brauche, ist eine Leitung ins Schreibbüro. Und bis morgen gibt’s auch die Hintergrundinfos, okay?«
    Cliff dachte einen Augenblick angestrengt nach. Lindsay konnte fast die Schaltstellen quietschen hören, als das hochgeistige Geschehen seinen komplizierten Lauf nahm. »Du hast doch gute Kontakte zu diesen lesbischen Bohnenfresserinnen da unten, stimmt’s?«
    »Die besten. Allem Anschein nach handelt es sich bei der Hauptverdächtigen um eine meiner ältesten Freundinnen.«
    »Wann hast du morgen Dienst?«
    »Frei.«
    »Fein. Dann klemm dich dahinter, und halt Duncan auf dem Laufenden. Ich leg’ ihm einen Zettel hin, daß du die Story übernommen hast. Und Lindsay – keine verrückten Alleingänge, verstanden?«
    »Danke Cliff. Wieviel willst du jetzt?«
    »Halt dich nicht zurück, Lindsay. Alles, was du hast.«
    Unter Klick- und Surrgeräuschen wurde sie mit der Schreibkraft verbunden, der sie ihre Story, wie sie sie im Kopf hatte, diktierte. Sie fügte noch die ihr bekannten Details über Crabtree und seine Verbindungen zum Camp hinzu. »Ein brutaler Mord sorgte gestern nacht für Aufregung im Frauenfriedenscamp«, lautete der Anfang.
    Um fast zwei Uhr morgens kam der letzte Anruf an die Reihe. Cordelias schläfrige Stimme meldete sich: »Wer zum Teufel ist da?«
    Lindsay schluckte den Klumpen, der sich beim Klang der vertrauten Stimme in ihrer Kehle gebildet hatte. Sie riß sich zusammen und versuchte, einen leichten Ton anzuschlagen. »Ich bin’s, Schatz. Tut mir leid, daß ich dich geweckt hab. Sicher bist du müde nach der Rückfahrt von deinen Eltern, aber ich steck’ hier mitten in einem ausgewachsenen Schlamassel. Es ist ein Mord geschehen. Rupert Crabtree, der Typ, dem Debs eine Schönheitsoperation verpaßt haben soll, ist umgebracht worden. Die Polypen haben Debs mitgenommen, aber ich glaub’ nicht, daß sie ihr den Prozeß machen. Ich weiß, ich hab’ versprochen, morgen mittag zu Hause zu sein, aber ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich das jetzt noch schaffen soll.«
    »Willst du, daß ich runterkomme?«
    Lindsay dachte kurz nach. Cordelias Angebot erschien verlockend, aber nicht unbedingt notwendig. »Im Augenblick nicht, denke ich«, antwortete sie. »Es gibt nichts, was wir tun könnten, solange ich nicht genau weiß, was los ist. Ich wollt’s dir nur persönlich sagen, damit du dich nicht aufregst, wenn du’s in den Nachrichten hörst oder in der Zeitung liest. Ich ruf dich heute später noch einmal an, in Ordnung?«
    »In Ordnung«, seufzte Cordelia. »Aber bitte, gib acht auf dich. Geh keine Abenteuer mit einem frei herumlaufenden Mörder ein. Ich liebe dich, vergiß das nicht.«
    »Ich liebe dich auch«, erwiderte Lindsay. Sie hängte den Hörer ein und ging zurück zum Camp. Als sie die Bustür aufmachte, hatte sie überhaupt nicht mehr an die Polizei gedacht. Die sperrige Gegenwart von zwei uniformierten Männern, die das Innere des Wagens durchstöberten, bestürzte sie.
    »Was zum Teufel haben Sie hier zu suchen?« fluchte sie.
    »Wir werden hier so schnell wie möglich fertig sein«, erklärte der ältere der beiden, ein sommersprossiger grauhaariger Mann mit breiten Schultern und einem Bäuchlein. »Wir haben einen Durchsuchungsbefehl – und ihre Freundin meinte, es wäre in Ordnung«, ergänzte er und nickte hinüber zu Jane.
    »Das hab’ ich ganz vergessen.« Lindsay seufzte und sackte auf dem bequemen Fahrersessel zusammen.
    Tatsächlich verzogen sich die Eindringlinge eine Viertelstunde später und nahmen ein Bündel Kleidung mit. Lindsay schenkte Jane und sich jeweils einen großen Whisky ein.
    »Also, auf eine zweite solche Nacht kann ich verzichten«, seufzte sie. »Ich weiß nicht, warum ausgerechnet meine Freundinnen immer in Morde verwickelt werden müssen.«
    Jane sah sie ziemlich entsetzt an. »Du meinst, das passiert dir öfter?«
    »Nicht gerade öfter. Aber vor etwa zwei Jahren wurde eine Freundin von mir für einen Mord eingesperrt, den sie nicht begangen hatte. Cordelia und ich waren zufällig dabei, als es

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