Das Nest
braucht offensichtlich eher eine Pressesprecherin, und das kann ich nicht. Ich komm’ da in einen ernsthaften Interessenskonflikt.«
Die eine Frau zeigte sich befriedigt. »Ich hab’ mir gedacht, daß du das sagen würdest«, triumphierte sie. »Ist ja auch klar, wenn’s drauf ankommt, weißt du genau, aus wessen Hand du frißt.«
Aufgebracht gab Lindsay zurück: »Das ist ungerecht. Ihr wißt sehr wohl, daß ich alles tu’, was in meiner Macht steht. Deborah ist seit Jahren meine Freundin. Ihr wißt, ich kann euch dabei helfen, das richtige Image zu verbreiten. Aber erwartet keine Wunder. Ich muß von euch uneingeschränkte Mitarbeit verlangen. Es ist mir bewußt, daß es hier Frauen gibt, die lieber ins Gras beißen würden, als für eine Boulevardreporterin den kleinen Finger zu rühren. Um so mehr brauch’ ich die Unterstützung derer, die mit mir zusammenarbeiten wollen.«
Jane antwortete sofort. »Also, was mich betrifft, ich bin bereit, dir zu vertrauen. Die Artikel, die du im Ausland über das Camp veröffentlicht hast, gehören zu den besten Arbeiten über das, was wir hier machen, die ich je gesehen habe. Du bist die einzige, die in der Lage ist, uns zu helfen und wir kennen sonst niemanden, von der wir das behaupten könnten.«
»Dem kann ich mich nur anschließen«, fügte Willow hinzu. »Ich sag’s den anderen, daß du auf unserer Seite bist.«
»Möchtet ihr noch etwas Zitierbares von euch geben, bevor ihr geht?« fragte Lindsay, als Willow und die andere Frau sich aufmachten.
»Jane schafft das schon. Sie kennt sich aus mit Worten«, sagte Willow über die Schulter, während sie hinauskletterten und die Bustür zuschlugen.
»Es gibt noch etwas, das ich mit dir besprechen wollte«, fing Jane zögernd an. »Ich weiß, viele Frauen würden darin nicht mit mir übereinstimmen, deshalb hab’ ich es auch im Plenum nicht erwähnt. Aber ich glaube, wir brauchen eine Person, die bereit ist, in der Sache für uns Nachforschungen anzustellen. Solange wir so im Zentrum des Verdachts stehen und nachdem uns die Polizei ohnehin schon auf dem Silbertablett serviert bekommen hat, wird sie sich kaum noch mit der Suche nach anderen Kandidaten aufhalten. Möchtest du dich nicht ein wenig umschauen?«
Zum zweiten Mal an diesem Vormittag war Lindsay verblüfft. »Wieso ich?« brachte sie schließlich heraus. »Ich bin doch keine Detektivin. Ich bin Journalistin, und es gibt keine Garantien, daß wir immer dieselben Interessen haben.«
Jane parierte sofort. »Du hast erzählt, eine Freundin wäre durch dich von einer Mordanklage freigekommen. Also, ich meine, wenn du es einmal geschafft hast, kannst du’s auch noch einmal versuchen. Diese Reportagen, die du für das deutsche Blatt geschrieben hast, vermitteln ein Gespür für die Wahrheit, auch wenn du sie nicht immer direkt darstellst. Du kannst mit den Polypen reden, mit Crabtrees Familie und seinen Freunden. Von uns kann das niemand. Und du bist auf unserer Seite. Dir muß einfach klar sein, daß Deborah nicht schuldig ist. Gerade dir.«
Lindsay zündete sich eine Zigarette an und starrte aus dem Fenster. Sie freute sich überhaupt nicht auf das aufreibende Dasein als Dienerin zweier Herren. Jane saß ruhig da, aber Lindsay fühlte die Spannung, die ihre Gegenwart erzeugte. »Na gut«, sagte sie. »Ich tu’, was ich kann.«
Bis mittags hatte Lindsay ihren Artikel diktiert und mit Duncan telefoniert, der sie zu einem Interview mit Deborah drängte. Verärgert stapfte sie von der Telefonzelle zurück, als neben ihr ein Auto stehenblieb. Plötzlich befand Lindsay sich mitten in einer engen Umarmung, der Deborahs Sprung aus dem Auto auf sie zu vorangegangen war. Ein paar Augenblicke fiel kein Wort. Judith lehnte sich über den Beifahrersitz und rief durch die offene Wagentür: »Wir sehen uns dann im Camp«, bevor sie weiterfuhr.
»Ach, Lin«, hauchte Deborah. »Ich hab’ mich so gefürchtet. Ich hatte keinen blassen Dunst, was los war. Die Widerlinge sind einfach los mit mir, ich konnte nicht einmal Cara in Sicherheit bringen. Solche Sorgen hab’ ich mir gemacht. Ich konnte weder schlafen noch essen – aber Gott sei Dank warst du so klug, sofort zu Judith zu gehen. Kein Mensch weiß, was ich sonst alles gestanden hätte, nur um von dort wegzukommen. Da war so ein blonder Kerl von der Stapo, aber viel war mit dem nicht los. Die Typen sind immer viel zu sehr damit beschäftigt, den James Bond zu spielen. Aber der Kommissar, der ist verdammt clever. Lin,
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