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Das Nest

Titel: Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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passierte und schlüpften kurzfristig in die Rolle von Sam Spade. So haben wir uns kennengelernt – als begeisterte Schnüfflerinnen.«
    »Also, auch wenn das brutal klingt, aber ich bin froh, daß du Erfahrung auf dem Gebiet hast. Es könnte sein, daß du sie brauchst – für Deborah.«
    Lindsay schüttelte den Kopf. »Das sind zwei Paar Schuhe. Debs haben sie ja noch nicht einmal verhaftet, geschweige denn angeklagt. Ich kann mir nicht vorstellen, was sie da Belastendes finden wollen. Voraussichtlich ist sie morgen mittag wieder hier, schließlich hat Judith da auch noch ein Wörtchen mitzureden. Seien wir ehrlich, wir wissen doch alle, daß Debs es nicht getan hat, und ich bin sicher, die Polizei findet noch vor heute abend einen überzeugenderen Verdächtigen. Sie haben sie doch nur hineingezerrt, um den Bürgern in diesem stockrechten Nest einen Gefallen zu tun. Die beobachten sie zur Zeit nämlich ganz genau. Und jetzt geh’ ich ins Bett, wenn du nichts dagegen hast.«
    Doch trotz ihrer Erschöpfung schlief Lindsay nicht sofort ein. Sie konnte einfach nicht abschalten. Wer hatte Crabtree umgebracht? Und warum? Bestand ein Zusammenhang mit dem Friedenscamp, oder war Debs Verbindung zu Crabtree rein zufällig? Und was würde mit der Freundin geschehen? Lindsay verabscheute Situationen, in denen sie zu wenig wußte, um vernünftige Theorien zu bilden. Sie wälzte sich in Debs Bett hin und her und versuchte verzweifelt, das Denken abzuschalten. Endlich glitt sie in einen tiefen und traumlosen Schlaf, aus dem sie kurz nach neun weder ausgeruht noch erfrischt aufwachte.
    Nach einer kurzen Dusche trat sie in einen milden Frühlingstag hinaus. Schäfchenwolken trieben am Himmel dahin. Das Camp machte einen verlassenen Eindruck. Verwirrt sah Lindsay hinüber zu dem großen Zelt, in dem die Meetings stattfanden: Anscheinend hatten die Frauen sich dort versammelt. Sie beschloß, die ruhige Viertelstunde für Telefonate mit Redaktion und Polizei zu nutzen.
    Ihr erster Anruf galt dem Kommissariat in Fordham. Sie fragte nach Rigano und war überrascht, als sie umgehend mit ihm verbunden wurde. »Kommissar Rigano? Hier spricht Lindsay Gordon vom Daily Clarion. Wir haben uns vergangene Nacht in Brownlow…«
    »Ich erinnere mich. Sie waren verdammt schnell. Heute morgen haben mich dann Ihre Kollegen in die Mangel genommen. Also, was kann ich für Sie tun?«
    »Ich frage mich, ob sie schon weitergekommen sind? Irgendwelche unmittelbar bevorstehenden Verhaftungen?«
    »Sie meinen, ob wir gegen Ihre Freundin Anklage erheben? Die Antwort lautet: Im Augenblick nicht. Inoffiziell kann ich Ihnen mitteilen, daß Sie uns noch heute vormittag verlassen wird. Was nicht heißt, daß ich sie für unschuldig halte. Aber ohne Beweismaterial kann ich vorläufig gar nichts machen. Also können Sie schreiben, daß der gute alte Kommissar Rigano zur Zeit verschiedenen Hinweisen nachgeht, und daß die Frau, die wir zu dem Fall befragt haben, bis zum Abschluß weiterer Untersuchungen erst einmal auf freiem Fuß ist. Wenn Sie das bitte so zur Kenntnis nehmen.«
    »Fein. Kann ich später noch bei Ihnen vorbeischauen?«
    »Wenn Sie wollen, und wenn ich hier bin, spricht nichts dagegen. Aber ich weiß nicht, was im Laufe des Tages noch alles auf mich zukommt. Falls Sie das Risiko eingehen wollen, mich eventuell nicht anzutreffen, kommen Sie ruhig vorbei.«
    Nachdenklich legte Lindsay den Hörer auf. Ihre Erfahrungen mit der Polizei in Zusammenhang mit der Geschichte um Paddy Callaghan hatten ihr eingefleischtes Mißtrauen noch verstärkt, was deren Intelligenz und Integrität betraf. Bei ihrem kurzen Treffen mit Rigano war ihr im Gegensatz dazu eine Art von Verständnis aufgefallen. Und das Telefongespräch von eben hatte diesen Eindruck nicht zerstört. Sie wunderte sich im nachhinein über ihren eigenen Anruf und überlegte, was um alles in der Welt sie noch mit ihm zu besprechen hatte, jetzt, wo Debs entlassen worden war.
    Aber dazu später mehr. Jetzt hatte sie die unangenehme Pflicht, Duncan Morris anzurufen. Der Nachrichtenredakteur beim Daily Clarion zeichnete verantwortlich für ihre Übersiedlung nach London. Sie meldete das Gespräch an und wartete nervös auf die Verbindung. Und schon dröhnte ihr die bekannte Stimme ins Ohr: »Morgen, Lindsay«, polterte er. »Der nächtlichen Notiz entnehme ich, daß du ins Schlangennest zurückgekehrt bist. Aber im Ernst, war wirklich ’ne Leistung gestern. Wir haben alle anderen aus dem Feld

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