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Das Nest

Titel: Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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gesessen.«
    »Bis zum Tod meines Vater, das meinst du doch, nicht wahr? Ganz so einfach ist es nun leider doch nicht. Unsere Gewinne waren nämlich höher als erwartet. Zwar mußten wir ein paar private Pläne über den Haufen werfen, wie etwa neue Möbel für die Wohnung, aber für den Rest haben wir einfach einen Bankkredit aufgenommen. Die zusätzlichen Zinsen können wir uns knapp leisten. Jeder Groschen, den mir mein Vater vermacht hat – es kann allerdings natürlich auch sein, daß er mich aus dem Testament hat streichen lassen –, wird ein absolutes Gottesgeschenk sein, soviel steht fest. Aber: Ohne hätten wir’s auch geschafft. Motiv für einen Mord hatte ich keins. So, das war’s doch, weshalb ihr hergekommen seid. Noch was, oder kann ich die Rechnung holen?«
    »Nur noch eins: Hast du eine Ahnung, weshalb dein Vater eine Waffe bei sich trug?«
    »Tat er das? Davon weiß ich nichts. Von einer Waffe hat mir niemand was erzählt!«
    »Die Polizei möchte nicht viel Wind um die Geschichte machen. Es war ein zweiundzwanziger Revolver.«
    »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, warum er so ein Ding mit sich herumschleppte. Er war Mitglied in einem Verein für Kleinfeuerwaffen in Middle Walberley. Ist aber eine ganze Weile nicht mehr dort gewesen, das muß jetzt auch schon an die acht Jahre her sein. Er hat es aufgegeben, weil ihm nicht genug Zeit zum Üben blieb. Wenn er etwas tat, mußte es nämlich perfekt sein. Ich wußte nicht einmal, daß er die Waffe aufgehoben hat. Und daß er Feinde hatte – ich meine die Sorte von Feinden, gegen die du dich bewaffnest – das kann ich einfach nicht glauben. Puh, das heißt, die Geschichte ist ganz schön merkwürdig.« Zum ersten Mal machte sie einen verstörten Eindruck. »Irgend jemand mußte es auf ihn abgesehen haben. Das ist ja schrecklich.« Sie schluckte die letzten Tropfen ihres Brandys hinunter und stand auf. »Ich sag’ Meg, daß sie die Rechnung bringen soll.« Gefolgt von Meg, die sie während des gesamten Interviews nicht aus den Augen gelassen hatte, verschwand sie durch die hintere Schwingtür.
    Lindsay rieb sich mit den Fingerspitzen die Stirn. Deborah griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. Noch bevor sie miteinander sprechen konnten, tauchte Meg wieder aus der Küche auf und schlenderte zu ihnen herüber. Ihr Tisch stand jetzt im absoluten Zentrum des Interesses der wenigen noch verbliebenen Gäste. »Ihr seid eingeladen«, erklärte Meg grimmig. »Wenn ihr nur nicht wieder hier auftaucht. Geht jetzt. Ich mein’s ernst, Lindsay. Raus!«

ELF
    Das Fordhamer Büro von Mallard and Martin – Immobilien, Auktionen und Schätzungen – befand sich ganz am Ende der Hauptstraße. Bis hierher war der britische Einzelhandel, der jede etwas breitere Straße in die ewig gleiche Verkaufszeile verwandelte, noch nicht vorgedrungen. Das Gebäude mit der breiten Fassade sah altmodisch genug aus, um auch den Konservativsten im Bezirk zu imponieren. Lindsay, die die zum Stil des Hauses passende Kleidung trug, ging interessiert die Verkaufsanzeigen im Schaufenster durch. Auch in der Umgebung von Brownlow Common wurden einige Häuser angeboten. Der Preis schien ihr nicht wesentlich niedriger als für vergleichbare Besitzungen in anderen Gegenden. Sie stieß die Tür auf und sah beim Eintreten, wie hinter dem aus edlen Hölzern gezimmerten Empfangsschalter eine modisch gekleidete junge Frau aufstand. »Kann ich Ihnen helfen?« erkundigte sie sich.
    »Ich habe eine Verabredung mit Mr. Mallard«, teilte Lindsay ihr mit. »Lindsay Gordon.«
    »Oh ja, er erwartet Sie. Kommen Sie bitte mit.« Sie schloß den Schalter vorübergehend und zeigte Lindsay den Weg zu Mallards Zimmer. Als Lindsay eintrat, sprang er auf und bot ihr mit großartiger Geste einen Stuhl an. Mallard war ein kleiner rundlicher Mann in den Fünfzigern mit ausgeprägter Stirnglatze. Er trug eine große goldgefaßte Brille, und die grauen Haarbüschel zu beiden Seiten seiner Ohren verliehen ihm das Aussehen einer pausbäckigen Eule. Er schenkte Lindsay ein gewinnendes Lächeln. »Nun, junge Dame«, setzte er freudig an, »Sie sind also Reporterin, wenn ich mich recht erinnere?«
    »Das ist richtig. Aber ich suche nicht nur nach Stoff für meine Artikel. Ich glaube, Carlton Stanhope hat Ihnen von Kommissar Riganos Bitte erzählt?«
    »Hat er, hat er.« Er lächelte. »Es freut mich immer, wenn ich einer attraktiven jungen Dame wie Ihnen helfen kann. Mr. Stanhope meint, Sie waren der Polizei bereits

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