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Das Nest

Titel: Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Carl, die für einen malerischen und schützenden Hintergrund sorgten. Es war witzig – als wir Rubinröte aufmachten, mußten wir zwei Veranstaltungen arrangieren: Die eine mit einem Haufen unverdächtiger Freunde, damit wir die Eltern einladen konnten und die andere für die wirkliche Klientel.«
    Lindsay zündete sich eine Zigarette an. »Das klingt, als gäbe es einiges, wofür du deinem Vater dankbar sein müßtest?«
    Ros verzog die Mundwinkel. »Schon. Aber richtig nahe waren wir uns nie. Irgendwie ging er immer auf Distanz, zu allen von uns. Als ob sich sein wahres Leben woanders abspielte. Im Büro wahrscheinlich. Oder bei einem seiner Fälle.« Der bittere Unterton in ihren Worten fiel sogar Ros selber auf. Sie bemühte sich um einen freundlicheren Klang und fügte hinzu: »Aber ich denke, ich verdanke ihm dieses Lokal. Es tut mir leid, daß er tot ist.«
    »Dann hat er seine Drohung, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen, also nicht wahrgemacht?« Lindsays beiläufige Worte fielen in einen Brunnen eisigen Schweigens. Ros’ Gesichtsausdruck hätte gut auf die Osterinseln gepaßt.
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest«, verkündete sie. »Absolut keine Ahnung.«
    »Mir wurde mitgeteilt, daß er sich vor kurzem von dir enttäuscht zeigte und daß er vorhatte, demnächst mit seinen ganzen Investitionen aus diesem Geschäft auszusteigen. Du solltest mir davon erzählen, damit ich nicht mit falschen Vorstellungen hier weggehe. Wo du doch leider über kein Alibi verfügst. Mein Nachrichtenredakteur wäre ganz schön verliebt in die Story.«
    Ros starrte Lindsay an. »Na gut«, murmelte sie bitter, »das ist also die berühmte lesbische Solidarität. Du bist nicht vielleicht doch die Dampfwalze, für die ich dich von vornherein gehalten habe? Wie konnte ich nur glauben, daß ein Anhängsel Cordelias friedlich sein würde. In Ordnung. Da du ja offenbar genug weißt, um verdammt unangenehm zu werden, sollst du den Rest auch noch erfahren. Vor zehn Tagen hat mich mein Vater angerufen. Er informierte mich über seine Absicht, die zwanzigtausend, die er mir geliehen hatte, wieder zurückzufordern. In den nächsten Tagen wollte er seinen Beauftragten bei der Bank die Anweisung dazu erteilen. Er weigerte sich, mir den Grund zu nennen und legte auf. Also rief ich Mutter an und fragte sie, was zum Teufel eigentlich los sei. Aber aus ihr war auch nichts herauszukriegen. Da bin ich aufs Motorrad gesprungen und runtergeglüht in die gute alte Heimat. Dort hab’ ich dann aus Mama rausgequetscht, worum’s ging. Um es kurz zu machen, es war alles wegen dieses Volltrottels von kleinem Bruder. Ihr wißt, daß er mit Computersoftware Geschäfte macht? Angefangen hat er bei null, und zwar gegen den Rat meines Vaters. Vaters Vorstellungen von Simons Karriere waren gänzlich andere gewesen und er schwor, in Zukunft keinen Finger mehr für ihn zu rühren. Er hat nicht einmal zugehört, als Simons Lehrer zu uns kamen und erklärten, er sei der beste Programmierer, der ihnen je untergekommen sei. Ab der dritten Klasse hat er sich regelmäßig in fremde Systeme hineingehackt. Auf jeden Fall ist es Simon irgendwie gelungen, sich über Wasser zu halten. Zur Zeit befindet er sich in einer entscheidenden Phase, Vergrößern oder Dichtmachen heißt die Devise, also braucht er dringend eine kleinere Finanzspritze. Kein Mensch weiß, woher er bisher das Geld genommen hat, aber Simon war anscheinend wild entschlossen, den nächsten Batzen von Vater zu fordern, nach dem Motto: Was für die Tochter flüssig gemacht wurde, steht auch dem Sohn zu. Paps hat rundweg abgelehnt. Er meinte, im Gegensatz zu Simon hätte ich mich bewährt. Er solle nicht herumziehen und um Almosen betteln. Mama sagte, sie hätten sich die ärgsten Sachen an den Kopf geschmissen, als bei Simon die Sicherungen durchbrannten und er anfing, wildes Zeug daherzufaseln – von wegen, wie schade es sei, daß Vater zwar bereit wäre, ein Lesbenpärchen und ihr Restaurant für Meschuggene zu finanzieren, wo ihm doch das durch und durch saubere Geschäft seines einzigen Sohnes so gleichgültig sei. Nach diesem Volltreffer verabschiedete Brüderlein sich auf französisch. Vater war zu keinem Gespräch bereit, hat sich nur ins Auto gesetzt und ist davongerast. Mama denkt, er ist hierhergefahren, um sich zu überzeugen. Und am nächsten Tag – platzte die Bombe.«
    »Ich hab’ mir schon so was gedacht«, erwiderte Lindsay. »Du hast also ganz schön in der Tinte

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