Das Nest
von großem Nutzen in der Angelegenheit um den Tod unseres lieben Rupert? Eine entsetzliche Tragödie, ganz, ganz schrecklich.«
Lindsay beschloß, sich nicht um dieses fette, chauvinistische Schweinchen zu kümmern. Aber seine scheinbare Geschwätzigkeit war eine Eigenschaft, die sich vielleicht gut auswerten ließ. Sie lächelte zurück. »Wie wahr. Durch Zufall gelangte ich an einige nützliche Informationen. Aber selbstverständlich muß ich nicht alles sofort an die Polizei weitergeben. Ich meine, es tauchen in diesem Zusammenhang auch eine Menge Geschichten auf, die mit der eigentlichen Sache gar nichts zu tun haben. Und wie schade wäre es doch, die Dinge mit unwichtigen Nebensächlichkeiten zu verschleiern, nicht wahr? Wenn die Leute offen mit mir sprechen, dann ist es mir oft schon möglich, die Spreu vom Weizen zu trennen und der Polizei etwas Arbeit abzunehmen. Wenn Sie verstehen, was ich meine…?« Sie ließ die Frage im Raum hängen.
»Sie wollen also wissen, wie gut ich Rupert kannte, wer seine Freunde waren, ob er sich durch den Verein Steuerzahler gegen die Zerstörung Brownlows irgendwelche Feinde gemacht hat und dergleichen? So hat es mir jedenfalls Mr. Stanhope erklärt«, beeilte sich Mallard.
»Nicht ganz«, erwiderte Lindsay. »Obwohl ich gern einen Blick in die Akten des Vereins geworfen hätte. Ich glaube, Mr. Stanhope hat das mit Ihnen arrangiert?«
Mallard verfiel in heftiges Nicken. »Sie befinden sich alle oben in einem kleinen Büro, das ich der Organisation zur Verfügung stelle. Lassen Sie sich nur Zeit, niemand wird Sie stören. Wir haben nichts zu verbergen, obwohl uns auch nichts daran liegt, unsere zukünftigen Pläne publik zu machen. Das würde unseren Strategien gegenüber diesen… Hexen da unten nicht zum Vorteil gereichen«, fabulierte er gewohnt großspurig, jedoch mit einem kleinen Ausrutscher, als er sich auf die Friedensaktivistinnen bezog.
»Aber sicher gibt es ein oder zwei Geschichten, die Sie lieber für sich behalten möchten, Mr. Mallard«, bemerkte Lindsay lässig.
»Nicht doch, nicht doch, wir haben überhaupt nichts Geheimnisvolles an uns. Wir sind absolut frei zugänglich, es gibt keine Verschwörungen.«
Eigenartige Ausdrucksweise, dachte Lindsay. »Vielleicht nicht gerade Verschwörungen, aber ein oder zwei Meinungsverschiedenheiten.«
»Meinungsverschiedenheiten?« Er wurde wachsam.
»Paul Warminster?«
»Ach das«, brummelte er unangenehm berührt. »Eine etwas unglückliche Angelegenheit. Aber andererseits bestätigt sie nur, was ich gerade über Offenheit gesagt habe. Wir im Verein sind keine Extremisten, wir sind lediglich Leute, die sich Sorgen machen um unsere Gemeinde und die Umgebung, in der unsere Familien leben. Mit Gewalt wollen wir auf keinen Fall etwas zu tun haben. Aber genau darauf hat Paul Warminster gesetzt. Er wollte aus dem Verein eine Art Bürgerwehr machen, die diese entsetzlichen Frauen gewaltsam vertreibt. Wir waren alle froh, daß Rupert die Kraft fand, ihn in die Schranken zu weisen. Diese Sorte Frauen geht nicht weg, weil man sie packt und fortschleift. Wenn wir Warminsters Rezept befolgt hätten, wären am nächsten Tag doppelt so viele gekommen. Nein, Rupert hatte recht.«
»Und Sie glauben, Paul Warminster hatte dagegen etwas einzuwenden?«
»Gar keine Frage, junge Dame. Er war wütend.«
»Wütend genug, um einen Mord zu begehen?«
Diesmal fiel sein Lächeln etwas dünner aus. »Mord? Ich bin sicher, in unseren Kreisen würde niemand auch nur auf diese Idee kommen, nicht einmal ein Paul Warminster.« Aus seinem Mund klang Mord wie ein Fauxpas.
»Aber jemand aus Rupert Crabtrees Umfeld muß auf die Idee gekommen sein.«
Mallard schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Schuld sind die Frauen. Es war nicht Paul Warminster. Er hatte nichts zu gewinnen. Auch wenn Rupert ihm jetzt nicht mehr im Weg ist, die Macht über den Verein und seine Mitglieder wird er nie erringen. Und das weiß er. Er ist ja nicht auf den Kopf gefallen.«
»Ich glaube Ihnen gerne«, schmeichelte Lindsay. »Wenn ich jetzt die Papiere sehen dürfte?« Sie stand auf.
»Aber sicher, sicher«, sagte er, erhob sich und scheuchte sie aus dem Zimmer. Während sie die zwei Stockwerke hinaufstiegen, schwätzte Mallard in einem fort über den Immobilienmarkt und die beklagenswerten Auswirkungen des Friedenscamps auf die Verkaufspreise der Häuser im näheren Umkreis.
»Aber in Brownlow scheinen die Häuser nicht mehr zu kosten als vergleichbare neben dem
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