Das Nest
sagte er. »Hier spricht Kommissar Rigano. Es tut mir leid, daß ich Sie störe. Ist Simon zufällig zu Hause?… In London? Wissen Sie, wann er gefahren ist?… Gestern? Ich verstehe. Und Sie erwarten ihn am Samstag zurück. Ja, eine Computerausstellung. Natürlich. Kennen Sie die Nummer seines Standes? Nicht? Macht nichts. Nein, so wichtig war’s auch wieder nicht. Hat jemand anders schon nach ihm gefragt?… Nein? Fein, vielen Dank. Und nochmals: Entschuldigung wegen der späten Störung. Gute Nacht.«
Er ließ einen Kugelschreiber gegen seine Zähne klicken. Das nächste Telefonat war ein internes. »Davis? Kommen Sie auf einen Sprung rüber, ja?« ordnete er an. Bald darauf ging die Tür auf und ein Zivilbeamter in Hemdsärmeln trat ein. »Wo ist Stone?« empfing Rigano ihn.
»Ich weiß es nicht, Kommissar. Um sechs herum ist er plötzlich wie ein Verrückter weggerauscht, kurz bevor Sie das Haus verlassen haben. Seither war er nicht mehr hier.«
»Was meinen Sie mit weggerauscht?«
»Er kam wie eine aufgeregte Dampfwalze aus seinem Zimmer gerannt und stürzte hinaus zum Parkplatz. Dann ist er mit seinem frisierten Fiesta davongejagt.«
»Jesses«, fluchte er leise. »Ich glaub’s einfach nicht. Ist sein Büro abgeschlossen, Davis?«
»Ich nehm’s an. Er schließt immer hinter sich zu.«
»Okay. Holen Sie den Universalschlüssel vom Diensthabenden. Mir reicht es langsam, daß ich über nichts Bescheid weiß.« Der junge Beamte sah überrascht drein. »Na, was gibt’s da zu überlegen?« drängte Rigano. Da verschwand der Beamte mit der Anweisung.
»Was ist denn los?« erkundigte sich Cordelia.
»Tut mir leid, aber das kann ich Ihnen nicht sagen«, erwiderte er mit solcher Bestimmtheit, daß Cordelia die Energie für eine neuerliche Anfrage nicht aufbrachte. Bis Davis zurückkam, saßen sie schweigend nebeneinander. Dann verließen die Männer gemeinsam den Raum. Fünf ewig lange Minuten vergingen, ehe Rigano wieder ins Zimmer stürmte. Seine Wut war furchterregend, das Gesicht dunkelrot verfärbt. Cordelia außer acht lassend, langte er nach dem Telefon, wählte eine Nummer und explodierte in den Hörer hinein: »Rigano hier. Ich wollte Ihnen mitteilen, daß ich eine offizielle Beschwerde gegen Stone einzureichen gedenke.
Wissen Sie, daß er mein Büro abhört? Damit zerstört er nicht nur die Glaubwürdigkeit seiner Abteilung in der ganzen Angelegenheit, er nimmt jetzt auch noch das Gesetz in die eigenen Hände.
Hören Sie, ich habe Grund zur Annahme, daß sich aufgrund dieser Machenschaften jemand in einer ausgesprochen unangenehmen Situation befindet. Ich werde nicht länger dasitzen und zuschauen. Sie erhalten morgen mein formelles Schreiben.« Er knallte den Hörer hin. Seine Hände zitterten vor Wut.
Das Gewitter hatte nicht zu Cordelias Beruhigung beigetragen. Rigano wandte sich ihr zu und erklärte nachdrücklich: »Es tut mir sehr leid. Ich glaube, ich weiß, wo sich Lindsay befindet, und ich bin nicht glücklich darüber.« Er seufzte. »Warum hat sie auch nicht auf mich gehört? Ist sie immer so ein Dickschädel?«
»Die verdammte Charakteranalyse können Sie sich sparen. Wo ist sie? Und mit wem? Sie sitzt in der Patsche, nicht wahr? Was passiert hier eigentlich?« Beinahe hätte Cordelia ihn beim Anzugkragen gepackt.
»Sie sitzt in der Patsche, ja. Und zwar ganz schön.«
»Also gut, weshalb sind wir dann noch hier? Wieso tun wir nichts dagegen?«
»Ich hol’ sie da raus«, entschied er. »Es wird alle möglichen Schwierigkeiten verursachen. Aber so geht’s nicht weiter. Ich kann mich nicht einfach raushalten aus dem Ganzen. Miss Brown… ich schlage vor, Sie gehen jetzt heim und versuchen, sich etwas zu beruhigen. Morgen früh sollte sie wieder bei Ihnen sein. Und wenn nicht, benachrichtige ich Sie.«
Cordelia traute ihren Ohren nicht. »Oh nein!« ging sie in die Luft. »So leicht werden Sie mich nicht los! Wenn Sie Lindsay wo auch immer herausholen, bin ich dabei. Ich laß’ mich nicht so einfach abspeisen. Entweder Sie nehmen mich mit oder ich häng’ mich ans Telefon und erzähl’ Ihrem Boss, daß sie von einem Ihrer Kumpane gekidnappt worden ist. Und den Rest auch gleich.«
»Ich kann Sie nicht mitnehmen«, entgegnete er.
»Dann folge ich Ihnen.«
»Wenn Sie das tun, lasse ich Sie einsperren.«
Die Situation schien verfahren. »Ich weiß von dem Band«, probierte Cordelia es von neuem. »Und ich weiß auch, wo sich eine Kopie der Auswertung befindet«, behauptete
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