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Das Nest

Titel: Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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hatte, wandte sie ihre Konzentration wieder ihrem Kaffee, der Zeitung und den harmonischen Klängen von ›Un Bel Di Vedremo‹ zu.
    Das Telefon schreckte sie aus ihrer tiefen Versunkenheit in die Buchkritiken. Sie nahm ab und warf einen Blick auf die Uhr. Überrascht stellte sie fest, daß es bereits zehn nach acht war. »Cordelia Brown«, meldete sie sich.
    »Ja ist denn das die Möglichkeit! Es gibt tatsächlich noch Menschen, die gelegentlich an diesen Apparat gehen!« Es war Duncan. Als selbstbewußter Mensch hatte er es nicht nötig, seinen Namen zu nennen. »Wo zum Teufel ist sie, Cordelia? Den ganzen verdammten Tag bin ich schon hinter ihr her. Ihren Piepser hat sie auch ausgeschaltet, die Wahnsinnige. Ich meine, natürlich hab’ ich ihr den Tag freigegeben, aber sie kann doch nicht total in der Versenkung verschwinden, wenn sie eine Story laufen hat. Also, wo steckt sie?«
    »Ich weiß es wirklich nicht, Duncan«, gab Cordelia zur Antwort. »Aber ich erwarte sie jeden Augenblick zurück. Sie hat eine Nachricht hinterlassen, daß sie bis acht zurück sein wird und normalerweise ist sie eigentlich sehr pünktlich. Ich richte es ihr aus, sobald sie zur Tür hereinkommt, okay?«
    »Nein, nichts ist okay«, grantelte er vor sich hin. »Aber was bleibt mir übrig. Dafür wird sie mir büßen, das garantiere ich Ihnen. Ich komm’ mir ganz schön blöd vor, verstehen Sie?«
    »Es tut mir leid, Duncan. Es sieht ihr gar nicht ähnlich, Sie im Stich zu lassen, das wissen Sie doch.«
    »Sie hat da so eine fixe Idee im Zusammenhang mit diesem Friedenscamp. Bei dem verdammten Mord in Derbyshire war’s genau dasselbe, aber damals hat sie zumindest freiberuflich gearbeitet und war für sich selbst verantwortlich. Als feste Angestellte schuldet sie mir eine gewisse Loyalität. Solange das nicht klargestellt ist, hat es mit ihr einfach keinen Sinn«, jammerte er.
    »Mir müssen Sie das nicht erzählen, Duncan«, erwiderte Cordelia verständnisvoll. »Sie wird Sie anrufen, das verspreche ich Ihnen.«
    Cordelia saß eine Moment lang da und spürte erste Besorgnis aufsteigen. Lindsay war meistens sogar krankhaft pünktlich. Wenn dort stand: ›um acht wieder da‹, dann würde sie auch um acht wieder da sein, oder eine telefonische Nachricht hinterlassen. Das schaffte sie immer; früher hatte sie vorbeifahrende Motorradfahrer oder Zugschaffner bestochen, für sie anzurufen. Wahrscheinlich besuchte Lindsay noch Deborah, um deren Zustand sie sich so gesorgt hatte. Ärgern war da sinnlos. Schließlich zeigte die Uhr erst fünfundzwanzig nach acht.
    Auf einen Impuls hin trat Cordelia an Lindsays Schreibtisch und nahm sich, auf der Suche nach einer Kontaktnummer im Friedenscamp, ihren Karteiordner vor. Die einzige Möglichkeit schien ihr das Pub, das die Frauen regelmäßig besuchten. Sie drückte die neun Tasten und als sich ein Mann meldete, fragte sie ihn nach Jane. Er ersuchte sie dranzubleiben, und nach einer Weile hörte sie eine vorsichtige weibliche Stimme fragen: »Hallo? Wer spricht?«
    »Jane, bist du das?« fragte Cordelia. »Hier spricht Cordelia.«
    »Nein, ich bin nicht Jane. Sie ist nicht hier. Soll ich ihr was ausrichten?«
    »Ja, bitte. Es ist wirklich wichtig. Würdest du ihr mitteilen, sie soll so bald wie möglich bei Lindsay Gordons Privatnummer anrufen? Bitte.«
    »Kein Problem. Lindsay Gordons Privatnummer«, wiederholte die Stimme. »Ein paar Frauen wollen in fünf Minuten zurückgehen, sie können es Jane bestellen. Sie kriegt Ihre Nachricht in etwa einer Viertelstunde.«
    Aus fünfzehn wurden zwanzig Minuten. Cordelia schenkte sich ein Glas Wein ein, obwohl sie eigentlich Lust auf einen großen Scotch hatte. Aber sie wollte kein Risiko eingehen für den Fall, daß sie irgendwohin fahren mußte, um Lindsay aus dem Schlamassel zu ziehen. Nach fünfundzwanzig Minuten durchsuchte sie das Haus, bis sie eines von Lindsays halbleeren Zigarettenpäckchen gefunden hatte. Sie zündete sich einen Glimmstengel an.
    Das Telefon hatte noch gar nicht richtig geläutet, als Cordelia schon abhob. Sie betete um Lindsays bekannte Stimme und war absurderweise enttäuscht, Jane am anderen Ende der Leitung zu hören.
    »Hallo, Cordelia. Ich hab’ diese dringende Nachricht bekommen, Lindsay anzurufen. Ist sie da?«
    »Nein«, seufzte Cordelia. »Die Nachricht stammt von mir. Ich bin gerade dabei, die Gegend nach ihr abzugrasen. Anscheinend ist sie total von der Bildfläche verschwunden, und nach dem, was in den letzten Tagen

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