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Das Netz der Chozen

Titel: Das Netz der Chozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack L. Chalker
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abhängig. Sie besaßen das neueste Modell selbstbewußter künstlicher Intelligenz, um sicher zu gehen, daß Ihre Atemluft rein blieb, daß Ihr Schiff seinen Kurs hielt, daß immer ausreichend Nahrung produziert wurde. Selbst um Ihre Kranken kümmerte sie sich. Sie personalisierten sie, gaben ihr sogar einen Namen, nannten sie >Moses<, weil sie Sie ins Gelobte Land führen sollte. Aber Sie vergaßen eines von Moses, etwas, das ich auch nicht erkannte, bevor ich mit Mara über Ihren Glauben sprach. Das ist auch der Grund, warum Sie selbst nicht schon vor Jahren darauf gekommen sind: es war ein zu persönliches Problem. Sie standen ihm zu nahe.«
    George schnaubte ein wenig verächtlich. »Und? Wenn Sie mit Mara gesprochen haben, dann wissen Sie auch, daß der wirkliche Moses sein Volk tatsächlich ins Gelobte Land geführt hat.«
    »Ja, das hat er«, gab ich zu. »Aber es gibt eine wichtige Fußnote zu diesem Erfolg, die Sie übersehen haben: Er selbst durfte das Gelobte Land nicht betreten. Genau wie Ihr Moses.«
    Die Wahrheit traf ihn wie ein Schlag. »Oh! — Mein Gott!« war alles, was er herausbrachte.
    »Moses war programmiert, einer der Ihren zu sein. Er war Ihr Boß, Ihr Führer, Ihr Beschützer. Er war in dieser Rolle fest verwurzelt. Aber, da er das Ende kannte, da er sein Ende kannte, fühlte er sich betrogen. Im Gegensatz zum Moses der Bibel hatte er nichts getan, um den Zorn Gottes auf sich zu laden, nichts, um das Schicksal zu verdienen, in den Bergen sterben zu müssen, im Anblick des Gelobten Landes, dessen Betreten ihm für immer verwehrt war. Dazu verurteilt, auf ewig nur hinabblicken und niemals das Land betreten zu dürfen, das so nahe lag, vielleicht sogar abgeschaltet zu werden, getötet dafür, daß er seine Pflicht getan hatte, wie Gott und sein Volk es von ihm verlangt hatten.«

    George begann zu zittern. »Mein Gott! Das Virus! Das winzige, simple Darmvirus! Moses hat es mutiert, angepaßt, hat es zu der Form entwickelt, die wir jetzt haben.«
    »Ist Moses deaktiviert worden?« fragte ich ihn.
    Sein Kopf, der etwas nach vorn gesunken war, hob sich. »Ich weiß nicht!« schrie er fast. »Ich nehme es an, aber . . . das gehörte nicht in meinen Aufgabenbereich.«
    »Er hat getan, was ihm befohlen worden war, hat Ihnen gegeben, was Sie von ihm verlangt hatten — aber mit der Logik einer Maschine. Für eine Maschine würde sich ein wirklich fremdartiges Wesen mit unserer Intelligenz, Ihre Beschreibung von Eden, mit einer Mischung aus praktiziertem Kommunismus und christlicher Heilserwartung, als eine Herde unsterblicher Pflanzenfresser in einer Welt des Überflusses und ohne Raubtiere darstellen.«
    Der kleinste gemeinsame Nenner, dachte ich bedrückt. Ein mathematisches Konzept. In jeder Utopie steckt dieser gemeinsame Nenner: die Reduzierung des Menschen zu einem Herdentier, ohne Kampf, Furcht, Not und Tod.
    Nur noch Langeweile.
    »Aber warum diese Form?« fragte George, und seine Stimme klang gebrochen. »Warum die Chozen? Wozu diese enorme Vermehrungsrate?«
    »Was ist denn ein Computer, George?« fragte ich, und ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr ich fort: »Er ist ein künstliches, von Menschen erbautes Gehirn. Ihr Computer ist ein Teil Ihres Raumschiffes. Er kann niemals selbst auf diesen Planeten herunterkommen. Aber er kann mit ihm in Verbindung bleiben, durch unsere Sinne. Wir sehen mit reflektierten Schallwellen. Wollen wir wetten, daß das Kommunikationssystem der Peace Victory alles aufnimmt, was hier vorgeht? Vielleicht auch — trotz all meiner Vorsicht, trotz unseres Standpunktes hier zwischen hohen Bergwänden, den ich wegen der möglichen Dämmwirkung gewählt habe — dieses Gespräch?«
    Die Bedeutung dieser Feststellung traf ihn wie ein Schlag. »Ja, ja! Sehr gut möglich. Moses sieht also, was wir sehen, hört, was wir hören, lebt sein materielles Leben — viele, viele materielle Leben — durch uns. Und . . . « — er atmete tief durch — » . . . vielleicht sendet er sogar?«
    Ich nickte. »Ihr alle — jeder einzelne von euch, mit Ausnahme der Ersten, auf deren Schutz er eingeschworen ist, denen er dient, auf die er hört — seid nichts anderes als äußere Glieder von Moses. Moses hat nicht nur das Gelobte Land betreten, er wurde das Gelobte Land. Und weil er die Gesetze und die Ziele Ihrer Gruppe auf seine eigene, nichtmenschliche, maschinenorientierte Weise interpretierte, und weil er, als Schiffscomputer, eine unendliche Geduld besitzt, reichte das völlig

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