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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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jemanden gesehen, den sie kannte.
    »Was hast du?«, fragte Sesa Mina, die spürte, wie sich Stellas Schultermuskulatur verhärtete.
    »Mist! Ich kann ihn nicht mehr sehen.«
    »Wen denn?«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, ich habe eben della Valle gesehen.«
    »Etwa diesen geschniegelten Pfau, der mich dir abluchsen wollte?«
    Stella nickte. »Genau den. Möchte wissen, was der persönliche Sekretär des Statthalters von Enesa in Blaxxun zu suchen hat.«
    Sesa Mina kuschelte sich eng um Stellas Hals. »Vielleicht ist er immer noch hinter mir her.«
    »Keine Angst.« Stella kraulte ihr Frettchen hinter dem Kopf. »Wenn der Kerl dich mir wegnehmen will, dann bekommt er meinen Speer zu spüren. Komm, lass uns weitergehen. Zwischen all den Menschen hier können wir ihm vielleicht entkommen.«
    Von nun an bewegte sich Stella mit jener Vorsicht und Wachsamkeit durch die Menge, die sie sonst nur beim Aufstellen der Marderfallen im Wald an den Tag legte. Im Grunde genommen waren die dicht bevölkerten Straßen von Blaxxun einem Stadtwald gar nicht so unähnlich, sah man einmal davon ab, dass die Bäume dort nicht hektisch durch die Gegend liefen. Doch hier wie da nahm niemand von Stella Notiz – so schien es jedenfalls.
    Ein Wald hatte viele Augen. Das wusste sie. Und eine Stadt wie Blaxxun sicherlich auch. Sesa Mina zeigte ihr eine schmale Gasse als Abkürzung, und Stella wollte gerade in diese einbiegen, als sie sich unvermittelt einem skurrilen Wesen gegenübersah. Ein großer haariger Affe mit Menschenkopf kam auf sie zu.
    Sie blieb abrupt stehen, was man von dem Affenmenschen nicht behaupten konnte. Gerade wollte sie das wohl in Gedanken versunkene Wesen warnen – als es auch schon durch sie hindurchging.
    Verwirrt drehte sich Stella nach der haarigen Kreatur um, die weiterlief, als wäre überhaupt nichts geschehen. »Was war denn das?«
    »Ich glaube, ihr nennt es Affe«, antwortete Sesa Mina.
    »Aber«, Stella konnte nicht fassen, dass ihr Frettchen diese unheimliche Begegnung so leicht nahm, »er ist mitten durch mich hindurchgegangen!«
    »Das war ein Avatar. Die sind zu dumm, um außen herum zu laufen.«
    Stella ließ Sesa Mina auf ihre Hand klettern, um ihr leichter in die Augen sehen zu können. »Seit wann marschieren Dummköpfe durch Menschen hindurch?«
    »Avatare sind nur Stellvertreterpersönlichkeiten. Das ist einer der Gründe, weshalb viele auch glauben, Blaxxun gebe es eigentlich gar nicht.«
    »Du meinst, wir befinden uns hier in einer Geisterstadt?«
    »Unsinn. Die Herren der Avatare sind richtige Wesen wie du und ich. Doch sie sind nicht hier. Nicht persönlich, meine ich. Sie sitzen irgendwo in Illusion, blicken in einen Avatarspiegel und überlassen ihren Stellvertretern das Reisen. Sie können alles sehen, was auch ihr Avatar wahrnimmt.«
    »Und warum hat mich dieser Affe dann wie Luft behandelt?«
    »Was weiß ich. Schlechte Reflexe, Faulheit oder ein beschlagener Spiegel. Aus der Gestalt des Avatars kannst du viel über seinen Besitzer erfahren, manchmal jedenfalls.«
    »Dann dürfte der Affe mit dem Menschenkopf wohl ein recht eigenartiger Zeitgenosse sein.«
    »Oder jemand, der sich nur hinter einer absonderlichen Maske verbirgt.«
    Stella schauderte noch immer bei dem Gedanken an die gerade gemachte Erfahrung. »Komm, lass uns die Abkürzung nehmen und so schnell wie möglich von hier verschwinden.«
    Die schmale Gasse schnitt zwei breitere Straßen. Gerade als Stella auf eine dritte Kreuzung zulief, tauchte dort hinter der Hausecke die Gestalt eines kleinen Mannes auf. Er war dunkelhaarig und trug edle Kleider. Diesmal gab es keinen Zweifel. Stella erkannte ihn sofort, obwohl das harte Gesicht kaum noch jener freundlichen Maske glich, die Lorenzo della Valle auf dem Markt von Enesa zur Schau getragen hatte.
    »Halt dich fest!«, rief sie Sesa Mina zu, drehte sich um und rannte in die entgegengesetzte Richtung davon. Als sie kurz über die Schulter zurückblickte, sah sie, dass der Sekretär die Verfolgung aufgenommen hatte.
    Was wollte della Valle wirklich? Allein wegen des Frettchens würde er sich bestimmt nicht die Mühe machen und sie durch halb Illusion verfolgen.
    »Wohin?«, rief Stella atemlos an der nächsten Wegkreuzung.
    »Wenn wir immer noch zur Schwarzen Sonne wollen, dann nach links.«
    Stella lief in die angegebene Richtung. Della Valle blieb ihr weiter auf den Fersen. Oder ging es gar nicht so sehr um sie selbst? Wollte er vielleicht nur verhindern, dass

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