Das Netz der Schattenspiele
Proxybetreibers zu erzwingen, aber so etwas dauert gewöhnlich sehr, sehr lange.«
»Und diese Zeit haben wir nicht«, drängte sich DiCampo wieder in das Gespräch. »Professor Kalder, ich sage es noch einmal: Es geht einfach um zu viel, Sie dürfen uns nichts verschweigen. Sie sollten ehrlich sein.«
Mark lächelte geheimnisvoll. »Das gilt doch wohl für uns alle.«
Es entstand eine unangenehme Pause, in der sich Marks und DiCampos Blicke wie scharfe Klingen kreuzten. Zornesröte stieg dem Projektleiter ins Gesicht, doch seine Stimme klang beherrscht, als er schließlich fragte: »Was wollen Sie damit andeuten, Professor?«
Mark zeigte ein unschuldiges Lächeln und hob die Schultern. »Sie sind dem Cyberworm-Leiter noch eine Antwort schuldig. Schon vergessen? Mr. Nbugu wollte von Ihnen wissen, warum Sie meine Tochter heute Vormittag so überstürzt in das Netz hinausgescheucht haben.«
DiCampos rote Gesichtsfarbe verschwand so schnell wie flüchtiges Gas. Jetzt wirkte er sogar ungewöhnlich blass. Er erwiderte Marks fordernden Blick, allerdings ohne etwas hervorbringen zu können.
»Ich steige aus dem Projekt aus, wenn Sie nicht Ihre Karten offen auf den Tisch legen«, beharrte Mark.
DiCampo sah unwillig zu Agaf hinüber.
Der Afrikaner plädierte zugunsten des Deutschen. »Stellas Einsätze betreffen das ganze Cyberworm-Team. Ich finde, Sie sollten uns nichts verheimlichen, Doktor.«
DiCampo schloss die Augen und stieß hörbar die Luft durch die Nase aus. Als er erneut in die erwartungsvollen Gesichter seiner beiden Zuhörer sah, schien er sich gefasst zu haben. Dennoch klang seine Stimme gepresst und seine ersten, an Mark gerichteten Worte wie der Auftakt zu einem neuen Scharmützel.
»Ihr verdammtes Kagee -Frettchen hat mein gesamtes Intruder-Projekt in Gefahr gebracht.«
Mark stutzte. Irgendetwas an diesem Vorwurf gefiel ihm nicht. Doch die Erregung DiCampos war echt. Er musste sich wirklich überwinden, das auszusprechen, was er nun von sich gab.
»Während Stellas Testreise ist sie auf einen geheimen Datenbereich unseres Servers gestoßen…«
»Ich denke, alles hier ist geheim…«
»Lassen Sie mich bitte ausreden!«, zischte DiCampo.
Agaf nickte Mark beruhigend zu.
»Es handelt sich um ein geheimes Archiv«, fuhr der Italiener fort. Sein Blick war auf die Tischplatte gerichtet. »Wir bewahren darin sämtliche Konstruktionspläne des Intruder-Projektes auf. Diese Daten sind zwar verschlüsselt und auch sonst vielfach gesichert, aber als Stella unseren NSA-Server erkundete, ist sie irgendwie trotzdem darauf gestoßen. Einer unserer Sicherheitstechniker hat sie gerade noch davon abhalten können, in das Geheimarchiv einzudringen.« Als DiCampo nun den Blick hob, lag Verbitterung in seinen Augen. »Wenn bekannt würde, dass Konstruktionsdetails über den Intruder an die Öffentlichkeit gelangt sind, könnte mich das den Kopf kosten.«
Noch bevor Mark – mit einer wohl wenig freundlichen Bemerkung – antworten konnte, erwiderte Agaf: »Aber dieses Thema haben wir doch schon einmal diskutiert, Dr. DiCampo. Das Cyberworm-Team ist nicht die Öffentlichkeit. Wir alle haben uns ebenso zur Verschwiegenheit verpflichten müssen wie Ihre Leute. Ihre Besorgnis und vor allem die Szene, die Sie uns da eben gemacht haben, halte ich gelinde gesagt für übertrieben.«
Ein beinahe schüchternes Lächeln huschte über DiCampos Lippen. »Ich bin italienischer Abstammung. Sie müssen schon entschuldigen, aber für mein Temperament kann ich nichts. Und was ich von der Anwesenheit Außenstehender in meinem Labor halte, habe ich Ihnen auch offen und ehrlich gesagt. Ich kann aus meinem Herzen eben keine Mördergrube machen.«
Agaf nickte zufrieden und fragte die beiden Streithähne: »Können wir uns darauf einigen, diesen Vorfall zu vergessen?«
DiCampo deutete erleichtert mit dem Kopf Zustimmung an. »Von mir aus. Ich möchte diesen Einsatz genauso erfolgreich zum Abschluss bringen wie Sie, Mr. Nbugu.«
»Und Sie, Mark?«, fragte der Afrikaner.
Es dauerte einige Sekunden, bis Stellas Vater antwortete. »Dem letzten Satz Dr. DiCampos kann ich beistimmen. Allerdings habe ich ein sehr gutes Gedächtnis und kann Ihnen nicht versprechen, ob ich so schnell vergessen werde, was ich heute in diesem Büro vernommen habe. Aber Sie wollen wohl etwas anderes von mir hören, Agaf: Ja, ich bin einverstanden damit, weiterzumachen. Unter einer Bedingung: Niemals darf Stella ein Leid geschehen.«
DER HERR DES
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