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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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dass ich diese Überlegung in meinem Aufsatz über die I-Bombe habe anklingen lassen. Wäre jeder Rechner im Internet eine Nervenzelle, dann würde das Gesamtgehirn über einige Millionen Neuronen verfügen. Wenn aber jeweils ein Computer sogar eine größere Zahl der menschlichen Pyramidenzellen nachbilden könnte – sagen wir einige tausend –, ergäbe sich global gesehen eine Zelldichte, die jener in unserem Gehirn sehr nahe käme.«
    »Wäre denn ein solches gemeinsames Agieren des Netzes möglich?«, fragte Agaf ungläubig.
    Nach kurzem Zögern blickte Mark in die Runde seiner Zuhörer und seufzte. »Eigentlich gehört es ja zu meinen Prinzipien, nicht über die Interna der SKULL-Software zu sprechen, aber momentan muss wohl jeder Zugeständnisse machen. Von der Grundauslegung meines Systems her liegt das zumindest theoretisch im Bereich des Möglichen. Wohlgemerkt, ich spreche von einer reinen Hypothese. Der SKULL-Tester basiert auf Komponenten, die in Fachkreisen als ›mobile Agenten‹ bezeichnet werden.«
    Mark blickte lächelnd in Agafs Richtung. »Das hat nun nichts mit Spionage zu tun. Im Internet ist ein Agent ein Programm, das sich für eine bestimmte Aufgabe verantwortlich fühlt, gewissermaßen wie ein Manager für seine Schauspieler. Ein Softwareagent könnte zum Beispiel den günstigsten Preis für ein Flugticket herausbekommen oder alle Informationen zu einem historischen Ereignis sammeln. In jedem Fall verfolgt er eine eigene Strategie, um sein Ziel zu erreichen. Dabei macht er sich seine charakteristische Fähigkeit zunutze, sein Umfeld wahrzunehmen und entsprechende Schlüsse daraus zu ziehen. Er kann demnach selbst Entscheidungen fällen, Arbeitspläne entwerfen, in gewissem Umfang sogar aus seinen Fehlern und Erfolgen lernen. Kurz: Er ist in der Lage, seine Fähigkeiten zu optimieren. Agenten können also viele Aufgaben lösen, die sich heute überhaupt nicht oder nur mit großem Aufwand bewältigen lassen.«
    »Das verstehe ich«, sagte Agaf. »Was mir nicht ganz klar wurde: Warum ist so ein Agent mobil? Bisher habe ich immer gedacht, ein Computer sei einfach eine Maschine, auf der ein bestimmtes Programm ausgeführt wird. Selbst wenn die Software das Internet nach irgendwelchen Theaterkarten durchstöbert, läuft sie doch immer noch auf meinem PC, oder etwa nicht?«
    Mark schüttelte den Kopf. »Bei einem mobilen Agenten verhält sich das tatsächlich anders. Er kann sich selbstständig im Netz bewegen und sich sogar reproduzieren, um auf vielen Rechnern gleichzeitig zu arbeiten. Wenn sich mein SKULL-Tester zum Beispiel in einen Server einschalten will, geht er oft nach einem Zweistufenplan vor: Zunächst dringt das unauffällige kleine Agentenmodul ähnlich einem Virus oder einem Trojaner in den Zielrechner ein und dockt dort im Zentrum des Betriebssystems an. In diesem Moment hat es Gewalt über den gesamten Computer oder zumindest über seine Kommunikationsfähigkeiten. Während der zweiten Phase baut der Agent dann eine Verbindung zu einem oder sogar mehreren Kontaktrechnern auf und koordiniert so sein weiteres Vorgehen: das Ausschleusen von Informationen, das gezielte Manipulieren von Programmen im Wirtsrechner oder sogar dessen komplette Abschaltung. Stella hat uns Letzteres ja schon zweimal vorgeführt.«
    DiCampo knirschte mit den Zähnen. Ohne jedoch weiter auf diese für ihn ausgesprochen ärgerlichen Vorfälle einzugehen, sagte er: »Nach dem jetzigen Stand der Technik ist ein mobiler Internet-Agent im Zielrechner doch an ein Agentenmanagementsystem gebunden, sonst könnte ja jeder Hacker ein Programm in einen x-beliebigen Server einschmuggeln und dort dann eine Menge Unsinn anstellen. Wie kann Ihr SKULL-Tester nur ohne AMS auskommen?«
    »Gar nicht«, antwortete Mark, und als sich bei DiCampo erwartungsgemäß Ratlosigkeit einstellte, fügte er hinzu: »Die Aufgaben des Managementsystems übernimmt der Programmcode, den der SKULL-Tester während der ersten Phase seines Angriffs einschleust. Ist schon ein schnuckliges kleines Modul, das ich in KQML programmiert habe, ganz nach den Vorschlägen des Knowledge Sharing Effort, das, wie Sie bestimmt wissen…«
    »… ein Standardisierungsprojekt mehrerer US-Universitäten ist«, verkürzte der Italiener die Ausführungen des Professors. »So genau wollte ich es gar nicht wissen, Professor Kalder. Sagen Sie mir bitte nur noch eines: Wenn mich meine marginalen Kenntnisse der Hirnforschung nicht trügen, befindet sich doch das Gehirn

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