Das Netz der Schattenspiele
oder heitere Gesichter geworden, ebenso Lachen oder Entsetzen in ihrer eigenen Stimme.
Nachdem dann Stella für ihren Vater und die Mitverschworenen den jüngsten Wachtraum geschildert und damit die Lücken im Reiseprotokoll gefüllt hatte, versprach Salomon, DiCampo nur »in gefilterter Form« zu informieren. Das neue Schattenwort »Bereshit« war ein Köder, nach dem der kleine dunkelhaarige Terrier dankbar schnappen würde. Andere Äußerungen des Dunklen Lauschers würde Salomon dagegen lieber für sich behalten. Dazu gehörten vor allem die Warnungen vor dem Herrn des Feldes. Sie klangen mehr als ernst! Von nun an würde die Verschwörergruppe um Mark Kalder noch vorsichtiger agieren.
Das Gespräch zwischen Stella und ihrem Vater war für einen langen Augenblick zum Erliegen gekommen. Beide dachten für sich über die Risiken ihres konspirativen Handelns nach. In dieser Stille trafen sich ihre Blicke. Beide wussten, was den anderen bewegte: Der Dunkle Lauscher hatte Stella bekniet, nicht mehr unter den Intruder-Helm zu schlüpfen. »Ich möchte dich retten«, lauteten seine eindringlichen Worte. Wovor, vor welcher Gefahr, so fragten sich Vater und Tochter gerade, hatte er sie warnen wollen?
In diesem Moment klopfte es an der Tür.
»Das werden Agaf und die anderen sein«, sagte Salomon und war schon auf dem Weg, die Verbündeten, die inzwischen längst zu Freunden geworden waren, einzulassen.
Stella nahm auf der Bettkante unwillkürlich eine geradere Sitzposition ein. Heute trug sie auch nicht den albernen Schlafanzug. Benny musste ja denken, sie sei in einer frühinfantilen Phase stecken geblieben, wenn er sie ständig in diesem »Strampler« sah.
»Nowoge?«, fragte Agaf als Erstes, nachdem er, Kimiko und Benny eingetreten waren. Der Afrikaner sah in seinem bunt geblümten langen Hemd aus wie ein wandelndes Blumenbeet.
Salomon nickte. »Unser Spion hört nur die üblichen Geräusche. Allerdings kann ich nicht sagen, wie lange das noch funktioniert.«
»Und wie geht es dir, Stella?«, erkundigte sich der Afrikaner bei dem Mädchen.
»Ich fühle mich, als sei gerade eine Planierraupe über mich hinweggefahren.«
Agaf lachte. »Dafür siehst du aber noch ganz gut aus, Starlet.«
»Bin froh, dass DiCampo vernünftig geworden ist und die Intruder-Einsätze abgeblasen hat«, gestand Salomon. »Auf diese Weise hat er sich ein unangenehmes Gespräch mit einem noch viel unangenehmeren Vater erspart.«
Agaf nahm in der kleinen Sitzecke Platz und Salomon setzte sich zu ihm. Benny und Kimiko begannen damit, ihre Notebook-Computer aufzubauen, hörten der Unterhaltung aber weiter zu.
Der Afrikaner nickte ernst und blickte besorgt zu Stella hinüber. »Ich kann deinen Standpunkt verstehen, Mark. Wenn es hart auf hart gekommen wäre, hätte ich natürlich zu dir gestanden.«
»Danke, dass nicht auch du mich noch zum Weitermachen drängen willst. Ich habe das unbestimmte Gefühl, das Thema Intruder ist für uns noch nicht ausgestanden. DiCampo wird jedenfalls nicht zögern, mich wieder unter Druck zu setzen, sobald er es für notwendig erachtet.« Salomon seufzte. »Wenn wir nur diesen Dark Listener aus seinem Schatten locken könnten! Was weiß er über das Intruder-Projekt? Wenn wir ohne Stella auf konventionellem Weg weitersuchen müssten, käme das dem Cyberwurm nur zupass. Vielleicht ist das ja die Absicht des Lauschers.«
»Gibt es denn etwas Neues über diesen Dunkelmann?« Die Frage kam von Benny.
Mark nickte. »Eine ganze Menge. Stellas Reiseprotokoll kennt ihr ja alle. Sternchen, kannst du deine letzte Reise für uns noch einmal zusammenfassen oder soll ich…?«
»Schon gut«, sagte sie und straffte ihren Rücken. Sie hätte zwar lieber nur zugehört, aber sie konnte sich ja nicht gut wie so ein verzärteltes Püppchen benehmen, das gleich bei der ersten Anstrengung schlappmachte – nicht hier, wo sie doch dieser dunkle Lockenkopf drüben vom Schreibtisch her beobachtete.
Also berichtete sie sogar recht ausführlich von ihrem letzten Aufenthalt in Illusion. Sie erzählte von den Warnungen des Dunklen Lauschers und erwähnte das von Elektra entschlüsselte Rätsel. Als sie das neue Schattenwort »Bereshit« erwähnte, glühte eine Flamme in Bennys dunklen Augen auf, doch er ließ sie weitersprechen. Zuletzt endete Stella mit dem für sie ziemlich unbefriedigenden Eingeständnis, den Lindwurm entdeckt und in Masinof gleich wieder verloren zu haben.
»Du hast hervorragende Arbeit geleistet«,
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