Das Netz der Schattenspiele
Vielleicht will er das gerade.«
»Oder er treibt ein hinterhältiges Spiel mit uns. Am Ende, wenn wir ihm ganz nahe sind, lässt er die I-Bombe hochgehen. Das wäre dann wirklich genesis kosmou, eine neue ›Entstehung des Kosmos‹, jedenfalls des virtuellen, wie Stella ihn auf ihren Reisen erlebt…«
Stellas Gedanken schweiften ab. Sie glaubte in dem Gesagten ein Muster zu erkennen, aber es wollte ihr nicht gelingen, es zu überblicken. In dem Brief des Großmeisters vom Lindwurmbund hatte etwas ganz Ähnliches gestanden. Der Lindwurm würde Illusion zu einer »wüsten Einöde machen, in der niemand mehr zu leben wünscht, es womöglich nicht einmal mehr vermag«. Aber aus irgendeinem Grund fiel es ihr schwer, diese Erklärung zu akzeptieren. War es nur die Erinnerung an den kleinen süßen Draggy, den Mini-Lindwurm, der niemandem etwas zuleide tun konnte? Machte sie sich etwas vor? Oder gab es noch andere Anhaltspunkte dafür, dass der Wurm vielleicht gar nicht so abgrundtief böse war, Informationen vielleicht, die ihr Unterbewusstsein richtig deutete, obwohl ihr Verstand sich dagegen sträubte?
Agaf schloss seinen Einwand mit der Bemerkung, es hätten immer wieder Einzelne aus Kriegen Profit geschlagen, warum nicht auch aus einem globalen Informationsverlust? Salomon schlug vor, diesen Punkt zunächst zurückzustellen und vorrangigere Themen zu verfolgen: Gab es irgendein Projekt, Unternehmen oder ein Szenario mit dem Namen Genesis, das auch nur im Entferntesten etwas mit den Computervorfällen zu tun hatte? War der Intruder bei seinem aktuellen technischen Entwicklungsgrad wirklich gefährlich? Wer war der Dunkle Lauscher? Und vor allem: Was hatte es mit dessen Andeutungen Alban C. DiCampos Machenschaften betreffend auf sich?
Bald steckten Benny, Kimiko und Salomon wieder bis über beide Ohren im Internet und einigen weniger zugänglichen Netzen. Obwohl die Nacht bereits vorgerückt war und Stellas Augenlider schwer wurden, war sie noch viel zu aufgekratzt, um schlafen zu können.
Sie verfolgte das emsige Tippen auf den Notebook-Tastaturen, sah, wie die Mauszeiger über die Bildschirme flitzten. Ab und zu blickte Benny zu ihr auf und sie schenkte ihm ein liebes Lächeln.
Salomon begab sich auf Umwegen zu seinem Mail-Server. Er musste Viviane informieren, bevor der Dunkle Lauscher sich mit ihr in Verbindung setzte. Es war gar nicht so einfach, seiner Frau etwas zu empfehlen. Deshalb schrieb er in seiner E-Mail nur, sie möge einfach ihren gesunden Menschenverstand gebrauchen, wenn sie die Argumente dieses Anonymus prüfe. Immerhin gebe es eine Vertrauensperson – seine sehr zuverlässige Assistentin an der TU –, die den Lauscher kenne und sich für ihn verbürgt habe. Er, Mark, vertraue ihr, Viviane. Sie würde gewiss richtig entscheiden.
Eine Kopie der an Viviane versandten Botschaft ging auch an Jessica. Salomon dankte ihr für die bisher geleistete Unterstützung und bat um weitere Hilfe, wenn es denn irgendetwas gebe, was Jessi für ihn und Stella tun könne. Er erwähnte die neuen Schattenworte »Bereshit« und »Genesis« als mögliche Spur zum Cyberwurm.
Nachdem die beiden E-Mails verschickt worden waren, kontrollierte Salomon den Posteingang. Und wirklich, es war eine Nachricht eingetroffen. Sie stammte von Valentin Braitenberg.
In den Worten des Wissenschaftlers schwang Besorgnis mit. Salomon hatte in seine Anfrage nur Andeutungen zur Gefährlichkeit von Gehirn-Scannern und -Manipulatoren gepackt. Er, Valentin, habe sich bei einem Kollegen vom Max-Planck-Institut für Hirnforschung nach den Risiken erkundigt. Nach den Informationen, die er besitze, stelle diese Technik keine Gefährdung dar. Es sei denn, die Droge, welche die Wachträume hervorrufe, habe irgendwelche Nebenwirkungen.
»Das ist zumindest einmal etwas«, kommentierte Agaf die E-Mail.
Salomon nickte erst, dann schüttelte er den Kopf. »Aber nicht genug. Braitenberg sieht keine akute Gefahr in dem Apparat an sich, aber wir wissen zu wenig über die Droge, die Stella nehmen muss.«
»Ob Dr. Gerrit etwas mehr zu dieser Frage beitragen könnte?«, meinte Kimiko. »Ich hatte den Eindruck, sein Gewissen setzt ihm ganz schön zu.«
»Es wäre vielleicht keine schlechte Idee, wenn du mit ihm sprichst«, sagte Agaf.
Kimiko lächelte schelmisch. »Ich soll ihn also bezirzen?«
»Das würde dir gewiss nicht schwer fallen, meine Liebe. Aber so weit musst du nicht gehen. Der Doktor dürfte Mark gegenüber die größten
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