Hemmungen haben, weil ihm die Drohung seines Bosses im Nacken sitzt. Aber – nur um sein eigenes Gewissen zu beruhigen – könnte er ein mehr in die Tiefe gehendes Gespräch mit dir als reine Plauderei unter Kollegen auffassen.«
Kimiko nickte. »Gut. Ich mache es.«
In diesem Moment ertönte ein leiser Gong aus Salomons Notebook. Er sah auf den Bildschirm.
»Ich habe gerade noch eine Mail bekommen.«
Alle blickten ihn erwartungsvoll an.
Stella kam vom Bett herüber und versuchte ihrem Vater über die Schulter zu sehen.
Salomon wandte sich ihr zu. Auf seinem Gesicht zeichnete sich höchstes Erstaunen ab.
»Von wem ist sie denn?«, fragte Stella ungeduldig.
»Eine Nachricht aus Illusion.«
Stella fühlte ein Kribbeln zwischen den Schulterblättern. »Was… Wie meinst du das?«
»Sieh selbst. Lies den Absender.« Salomon lehnte sich im Schreibtischstuhl zurück, damit Stella den Bildschirmtext lesen konnte.
Zunächst glaubte sie, es handele sich um einen schlechten Scherz. Was da auf dem flachen Schirm stand, weckte Erinnerungen an bange Augenblicke voller Zweifel.
[email protected] Stellas erster Gedanke war: Nun bekommt der Schemen endlich ein Gesicht. Ihren zweiten kleidete sie in Worte der Verwunderung.
»Er ist beim Pentagon?«
»Nein, er ist ein Scherzbold.« Die prompte Antwort kam von Benny. Er grinste, verkniff sich das Lächeln allerdings gleich wieder, wohl um Stella nicht zu verletzen. »Die Domain ›ThePentagon.com‹ hat nichts mit DiCampos Bossen zu tun. Sie gehört zu NetForward. Das ist ein Internetdienst, der kostenlos E-Mail-Adressen einrichtet. Ich wette, der Dunkle Lauscher lässt sich seine Post an einen Remailer weiterleiten, über den er seine Nachrichten liest oder versendet. So kann er das bleiben, als was du ihn kennen gelernt hast, Stella: ein anonymer Schatten.«
»Nicht dumm, der Knabe«, sagte Stella und blickte dabei in einer Weise Benny an, dass der nicht wusste, ob sie nun gerade vom Lauscher oder von seiner Person gesprochen hatte.
Der Amerikaner sah verunsichert auf den Bildschirm zurück.
»Ich bin gar nicht der Hauptempfänger der Mail«, sagte Salomon. »Mein Postkorb ist nur als ›bcc‹, als ›blind carbon copy‹ angegeben. Seht mal, wem der Lauscher da geschrieben hat.« Salomon deutete auf den Empfänger: Es war Alban C. DiCampo.
»Klick doch mal an«, sagte Kimiko. »Bin gespannt, was unser schattiger Freund dem Projektleiter mitzuteilen hat.«
Salomon wählte die Betreffzeile der eingegangenen Nachricht mit einem Doppelklick aus, und ein neues Fenster öffnete sich auf dem Bildschirm.
»Eine Postkarte!«, staunte Stella. Alles stimmte: das Format, der gewellte Außenrand, der sonnige Himmel. Nur das Motiv war nicht unbedingt dazu angetan, Urlaubsgefühle zu wecken.
»Wo hat der Bursche nur das Foto von Bau 203 her?«, fragte Agaf. »Dieses Gebäude liegt so zwischen den anderen eingebettet, dass man es in diesem Winkel unmöglich mit einem Teleobjektiv aufnehmen kann. Der Fotograf muss direkt davorgestanden haben.«
»Also ich glaube nicht, dass die NSA neuerdings an ihre Abhöropfer Ansichtskarten verteilt«, sagte Salomon. Obwohl es wie ein Scherz klingen sollte, hatte seine Stimme einen bedrohlichen Klang angenommen. »Seht doch, was er unserem Italiener geschrieben hat.«
Den Text der Postkarte zu lesen fiel leicht, wie mit dickem schwarzem Filzstift waren auf der Vorderseite wenige schwungvolle Zeilen hingeworfen.
Hi, Alban!
Jetzt bist du zu weit gegangen.
Ich habe dich gewarnt.
Sieh dir meine Grußkarte genau an –
du weißt, was ich weiß.
Entweder du nimmst deine Kabel von Stella Kalder
oder die Bombe wird platzen.
Herzliche Grüße Der Dunkle Lauscher.
»Also Humor hat er wirklich«, kommentierte Kimiko den Text. »Wie wird DiCampo die Nachricht wohl aufnehmen?«
Salomon drückte sich vom Schreibtisch hoch. »Ich denke, das werden wir bald wissen.«
»Was willst du tun?«, erkundigte sich Agaf besorgt.
»Das ist doch klar. Diese Karte beweist, der Lauscher ist ein Insider. Woher sollte er sonst die Fotografie haben? Er kennt das Intruder-Projekt. Indem er DiCampo eine E-Mail schickt, setzt er sich selbst der Gefahr aus entdeckt zu werden. Ich glaube nicht mehr an das Ammenmärchen vom harmlosen Intruder. Das Ding ist keine Trockenhaube. Genau das werde ich DiCampo morgen früh sagen.«
Während sich die Fahrstuhltür im ersten Untergeschoss des Bunkers für Mark und Agaf öffnete, begann