Das Netz der Schattenspiele
dass Sie Stella Kalder wider besseres Wissen einer ernsten Gefahr ausgesetzt haben, werde ich an höchster Stelle intervenieren. Und sollte ich nach der gesetzten Frist keine Unterlagen in Händen halten, betrachte ich das als Schuldbekenntnis und werde weitere Schritte gegen Sie einleiten. Haben wir uns verstanden, Doktor?«
Der Afrikaner besaß eine natürliche Autorität, der sich niemand entziehen konnte. Selbst DiCampo wagte nicht, die Lücken in Agafs Argumentation anzusprechen – Hörensagen und Magendrücken wurden vor keinem Gericht der Welt als Beweismittel akzeptiert. Wie ein geprügelter Hund zog der Projektleiter den Schwanz ein. Er spielte nun auf Zeit und dachte gar nicht daran, sich mit Fakten zu verteidigen.
»Was Sie verlangen, ist unmöglich, Agaf. Natürlich gibt es entsprechende medizinische Aufzeichnungen in unseren Archiven, aber die Operation Big Darkness hat im Augenblick absoluten Vorrang. Das müssten Sie doch selbst wissen. Ich glaube kaum, dass Sie bei Ihren Vorgesetzten auf Verständnis stoßen werden, sollten Sie dieses Unternehmen wegen eines albernen medizinischen Reports blockieren.«
Agafs Miene war ausdruckslos. Seine Obsidianaugen schienen direkt bis auf den Grund von DiCampos Seele zu blicken. »Also gut«, willigte er schließlich ein. »Die Dreitagefrist beginnt mit der Beendigung Ihrer Abschaltaktion. Spätestens am Montagabend habe ich Ihren Bericht in meinem Quartier. Andernfalls zerre ich den ganzen Fall ans Licht der Weltöffentlichkeit und Ihr Intruder ist die längste Zeit ein Geheimnis gewesen.«
»Ich darf Ihnen darüber nichts verraten, Kimiko.«
Die Japanerin sah den Arzt des Teams, Dr. Gerry Gerrit, über den Rand ihres Styroporbechers hinweg an. Ihre dunklen Mandelaugen machten den Mediziner nervös. Das spürte sie. Obwohl sie gewöhnlich lieber durch fachliche Kompetenz als durch weibliche Reize überzeugte, gab sie sich im Augenblick auch keine Mühe, unattraktiv zu wirken.
Kimikos Ohren filterten das Klappern der Tabletts, das Stühlerücken und das allgemeine Gemurmel in der Kantine heraus – alle Sinne waren auf ihre Beute gerichtet. Sie blies in den heißen Kaffee, lächelte geheimnisvoll und erwiderte: »Kommen Sie, Gerry. Trauen Sie mir etwa nicht? Wir spielen doch im selben Team. Außerdem bin ich die rechte Hand von unserem Coach.«
»Von DiCampo? Das wüsste ich aber.«
»Der Leiter unserer Sondereinheit ist immer noch Agaf Nbugu. Schon vergessen?« Kimiko schwächte ihre Spitze durch ein verschmitztes Lächeln ab.
»Nein, natürlich nicht. Leider ist DiCampo deshalb immer noch mein Boss. Wenn ich Ihnen irgendwelche medizinischen Details über unsere Intruder-Testreihen verriete, dann würde er mich in der Chesapeake Bay versenken, mit zwei Betonklötzen an jedem Fuß.«
»Gerry! Die Agency ist doch nicht die Mafia.«
»Aber DiCampo ein Italiener. Sein Temperament geht manchmal mit ihm durch.«
Gelächter. Auf beiden Seiten des Tisches klang es irgendwie gezwungen. Kimiko hatte wenige Minuten zuvor, um exakt sieben Uhr sieben, den Arzt beim Frühstück attackiert und nach einem freien Platz gefragt. Davon gab es zwar noch Dutzende andere in der Kantine, aber ihre Taktik hatte Erfolg. Allein die Ausstrahlung der Japanerin verwandelte die hartgesottensten Wissenschaftler in galante Kavaliere. Auch Mediziner wie Dr. Gerrit waren dagegen nicht immun. Er hatte Kimiko sogar den Stuhl zurechtgerückt.
Die erste Tasse Kaffee wurde nichts sagender Plauderei geopfert. Anschließend fragte Kimiko den Arzt ganz beiläufig nach seinen bisherigen Erfahrungen mit anderen Intruder-Cybernauten. Hatte es am Anfang Schwierigkeiten gegeben? Waren bei Einsätzen irgendwelche Nebenwirkungen aufgetreten?
Gerrit hatte sich zugeknöpft gegeben. Er versuchte Smalltalk zu machen, das Gespräch in ruhigeres Fahrwasser zu bringen, immer peinlich darauf bedacht, keine Interna preiszugeben.
»Sicher dürfen Sie mir aber doch erzählen, wie das Zusammenspiel zwischen Stellas ›Nasenspray‹ und dieser Neuro-Aktivitäts-Resonanz-Sonde funktioniert. Nur so im Groben, meine ich. Ich finde das alles so faszinierend! Wie kommen nur Stellas außerordentliche Wachträume zustande?«
Gerrit runzelte erst die Stirn, aber dann lächelte er. »Darüber hat DiCampo ja sowieso schon gesprochen. Ich denke, er wird mich am Leben lassen, wenn ich Ihnen noch ein, zwei weitere Fakten liefere.«
»Ich bin gespannt!« Kimiko nahm einen Schluck Kaffee aus ihrem Becher.
»Im
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