Das Netz der Schattenspiele
tröstete Agaf die Cybernautin wie ein vollgültiges Mitglied seiner Spezialeinheit.
Salomon holte tief Luft. »Was den Dunklen Lauscher betrifft, werde ich Viviane eine verschlüsselte E-Mail schicken und sie warnen. Sie soll vorsichtig sein, wenn sich ein Unbekannter mit ihr in Verbindung setzt.«
»Bis dahin machen wir weiter wie bisher«, mischte sich Stella vom Bett aus ins Gespräch.
Die beiden Männer sahen sie verwundert an.
In ihrem müden Gesicht stand Entschlossenheit. »Wenn dieser komische Abschaltplan des Italieners scheitert, wird die Zeit wirklich knapp werden. Nur mit Maus und Tastatur kann ich den Cyberwurm niemals rechtzeitig aufspüren. Ich brauche dazu den Intruder-Helm! Außerdem wird einmal mehr oder weniger mich schon nicht umbringen.«
»Aber, Stella…! Ich weiß wirklich nicht«, sagte Salomon zögernd. »Schließlich bin ich immer noch dein Vater…«
»… und als Erziehungsberechtigter für meine körperliche und seelische Unversehrtheit verantwortlich«, leierte Stella herunter. Ihr Kopf wippte dabei hin und her. »Paps, es ist mir ernst. Draggy ist durch meine Dummheit ins Netz entwischt, jetzt muss ich ihn auch wieder einfangen.«
Stellas Vater und Agaf wechselten einen ernsten Blick.
»Lass uns noch einmal darüber reden, wenn sich die Frage wirklich stellt«, schlug schließlich Salomon vor. »In der Zwischenzeit sollten wir den Andeutungen des Dunklen Lauschers über unseren Italiener nachgehen. Man meint ja fast, er spricht von einem Mafioso.«
Agaf wiegte den Kopf zweifelnd hin und her. »Was DiCampo da mit seinen heimlichen Lauschaktionen anstellt, ist ohne Frage gewissenlos und irgendwie auch unmoralisch. Aber einem ähnlichen Zweck dient ja schließlich sein Intruder auch, sozusagen höchst offiziell. Wir sind hier nun einmal in der NSA, Spionage ist eine ihrer Geschäftsaufgaben. Auf seine eigene schmutzige Weise tut unser Italiener also nur seine Pflicht.«
Alle Anwesenden im Raum sahen zu dem Mädchen auf dem Bett hinüber, als erwarteten sie aus ihrem Munde einen weisen Rat, der all ihre Zweifel zerstreute. Stella hatte sich zuletzt ihr Kopfkissen geangelt und schlang nun ihre Arme darum. Eine derartige Empfehlung konnte sie nicht geben. Sie wusste ja selbst nicht, was sie mit den geheimnisvollen Andeutungen des Dunklen Lauschers anfangen sollte.
Nach längerem Schweigen wandte sich Agaf wieder an Mark. »Kimiko hat mir von deiner heutigen Abhöraktion erzählt. Verstehe bitte das, was ich dich jetzt fragen will, nicht als Vorwurf: Glaubst du, DiCampo könnte davon Wind bekommen haben, was wir hier mit unseren Gerätschaften veranstalten?«
Marks Kiefer mahlten aufeinander. »Ich bin vorhin einfach ausgerastet. Wenn DiCampo eins und eins zusammenzählt, dann könnte er dahinter kommen, woher ich meine Informationen habe.«
»Dann müssen wir noch vorsichtiger sein«, sagte Agaf. »Jedenfalls solange wir nicht wissen, was hinter seinem anrüchigen Verhalten steckt.«
»Selbst wenn er genau wüsste, was sich in meinen Aluminiumkoffern für schlimme Apparate befinden, wird er durch die dicken Stahlbetonwände des Bunkers kaum feststellen können, ob sie auch eingeschaltet sind. Solange ich mein Equipment vor dem Verlassen unseres Quartiers immer wieder schön abbaue, kann er uns kaum etwas nachweisen.«
»Einmal wären wir schon fast aufgeflogen«, meldete sich Stella zu Wort. Für sie gehörte der Italiener längst hinter Gitter und sein feuerhaariger Bodyguard gleich mit. »Oder habt ihr etwa bereits vergessen, dass der Rote John hier herumgeschnüffelt hat? Könnten wir denn nicht die Polizei verständigen oder den Präsidenten oder sonst wen?«
Benny schüttelte den Kopf und lächelte sie an. »Agaf hat schon Recht, Stella. Wenn DiCampo in nationalem Auftrag handelt, dann wird man uns bestenfalls in einen ziemlich tiefen Kerker werfen. So tief, dass niemand unsere Hilferufe hören kann.«
»Dann lasst uns keine Zeit verlieren«, sagte Salomon voller Tatendrang. »Wir müssen alle Netze durchforsten, in die wir von hier aus hineinkommen. Wenn ihr irgendjemanden kennt, der uns – unter Wahrung der nötigen Diskretion, versteht sich – bei unserer Arbeit unterstützen kann, dann bohrt diesen Kontakt an.«
»Habt ihr nicht etwas vergessen?«
Alle sahen zu Kimiko hinüber. Sie hatte das Gespräch bisher schweigend verfolgt. Ihr Kinn ruhte auf dem Knie des angewinkelten rechten Beines. Den Fuß hatte sie dabei auf die Sitzfläche des Stuhles gestellt.
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