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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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entstehen?«
    »Höchstens im begrenztem Umfang. Das Bild einer Blume zum Beispiel könnte nie das Produkt einer zufälligen Fehlschaltung sein. Dazu ist es viel zu komplex.«
    »Aber Traumbilder könnten sich schon… Wie soll ich mich ausdrücken? Könnte so ein Muster im Gehirn ähnlich stabil werden wie die Abbilder unserer Wirklichkeit?«
    Das Lächeln verschwand aus Gerrits Gesicht wie ein scheues Tier. »Die Droge ist äußerst schwach dosiert«, antwortete er ausweichend. »Ihre Wirkung hält höchstens sechs Stunden an. Und die seltenen Fehlschaltungen… wie gesagt…«
    Kimiko hatte schon in frühester Kindheit gelernt, ihre Gefühle hinter einer freundlichen Maske zu verbergen. Jetzt hatte sie den Arzt da, wo sie ihn haben wollte. Mit einem asiatischen Lächeln auf den Lippen sagte sie: »Für eine Softwarespezialistin wie mich haben Sie die Funktion des Intruders wirklich anschaulich geschildert, Gerry. Von Computern weiß ich, dass eine einzige Fehlschaltung den ganzen Rechner zum Absturz bringen kann. Aber dass so etwas auch bei Stella – einem Menschen! – möglich wäre, hätte ich nie gedacht.«

 
    DIE GROSSE DUNKELHEIT
     
     
     
    »Was meinst du, Paps, wird es klappen?«
    »Mir wäre wohler, wenn ich es wüsste.«
    »Also, das klingt nicht gerade nach dem unerschütterlichen Optimismus des legendären Mark Salomon Cracker Kalder.«
    Salomon seufzte müde. »Nein, wirklich nicht. Ich habe dem Vorschlag DiCampos nur zugestimmt, weil ich im Augenblick auch keine bessere Idee vorweisen kann.«
    Stella und ihr Vater saßen vor halbleeren Tellern in der Kantine. Salomon hatte einen grünen Salat und einen Hamburger gegessen. Einen augenfälligeren Beweis für seinen katastrophalen Gesamtzustand gab es nicht. Stella machte sich Sorgen um ihn, weil er Tag und Nacht nur noch schuftete und sich kaum Schlaf gönnte. Sie selbst fühlte zwar noch eine bleierne Schwere in den Gliedern, aber von Stunde zu Stunde ging es ihr besser.
    Gegen elf hatte es noch einmal ein Krisengespräch der kleineren Spezialistengruppe im Konferenzsaal des Bunkers gegeben. Auf der Tagesordnung gab es nur einen Punkt: die Operation Big Darkness. Zahllose organisatorische Details mussten abgestimmt werden. Sämtliche Elektronik auf der Erde sollte für eine Stunde abgeschaltet werden. Das hörte sich einfach an, aber es war für alle Beteiligten eine gewaltige Herausforderung. Die Differenzen der zerstrittenen Parteien am Konferenztisch waren vorübergehend begraben. Schließlich seien sie alle Profis, erklärte Salomon mit einem Anflug von Humor.
    DiCampo hatte zu Beginn der Besprechung auf einen Zeitungsausschnitt hingewiesen, der seit längerem die Wand seines Büros zierte und ihm, wie er sagte, für seine Arbeit am Intruder immer wieder neuen Ansporn gegeben habe. Er hatte sogar für die anderen Mitglieder der Runde eine Kopie dieses Zeitungsartikels aus USA Today mitgebracht.
    In dieser überregionalen Tageszeitung hatte sich am 5. Juni 1996 der frühere Direktor der Computer Crime Squad des FBI, Jim Settle, zu Wort gemeldet. Amerika könne von einer Truppe ausgesuchter Elite-Hacker problemlos binnen neunzig Tagen »in die Knie gezwungen werden«, war Settles vernichtendes Resümee gewesen. Die Gründe dafür lägen auf der Hand: Alle wesentlichen für das Funktionieren der amerikanischen Gesellschaft notwendigen Versorgungssysteme seien mittlerweile computerisiert. Das Schlagwort der New Cyber Vulnerabilities – also der neuen, weil technisch früher gar nicht möglichen, Verletzlichkeit gegenüber Angriffen aus dem Cyberspace – machte die Runde.
    Und schließlich ginge es bei seinem Aktionsplan nicht allein um die Vereinigten Staaten von Amerika, fügte DiCampo seiner Erklärung hinzu. Wenn schon diese »große Nation« – »in der Informationstechnologie fortgeschritten wie keine andere auf der Erde« – so verletzlich sei, was würde dann erst geschehen, wenn diese so genannten Elite-Hacker ihren Angriff gegen die ganze Welt richteten?
    Dem hatte selbst Salomon nichts entgegenzusetzen. Dennoch plagten ihn Zweifel. Das Abschalten des Internets und aller elektronischen Geräte würde ein weltweites Chaos auslösen. War dieser Preis gerechtfertigt angesichts eines mehr als fraglichen Erfolges?
    Auch die von DiCampo standhaft verfochtene NSA-Theorie von den Cyberterroristen wollte Salomon nicht schmecken. Die sich weltweit häufenden Computervorfälle schienen ein bestimmtes Muster zu besitzen. Vielleicht hatte er sich

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