Das Netz der Schattenspiele
eingreifen.
Die technischen Innereien des Wohnmobils stammten aus DiCampos »persönlichem Kontrollraum« in Fort Meade. Diesen hatte der Projektleiter, wie Friedman inzwischen wusste, in den letzten Tagen mehr als einmal aufgesucht, um Einfluss auf Stellas Reisen zu nehmen. Schon während ihres ersten Ausflugs unter dem Intruder-Helm hatte er sie von dort hinaus ins Internet geschickt, direkt in den Server der Australian Mining Company.
Als Friedman auf dem Weg zum Truck den Camper passierte, hörte er plötzlich Stimmen. Das Fahrzeug stand unmittelbar am Rand der Lichtung, die Gesprächspartner waren durch Laubbäume verdeckt. Doch die Worte verrieten sie.
Friedman verlangsamte seine Schritte. Schließlich blieb er unter dem Tarnnetz zwischen Laster und Wohnmobil stehen. Er schaute sich unauffällig um. Obwohl oder sogar weil es gerade auf der Lichtung sehr geschäftig zuging, nahm niemand von ihm Kenntnis. Vorsichtig trat der Intruder-Sicherheitschef einen Schritt vor. Jetzt waren die Stimmen deutlicher zu verstehen. Er hatte sich nicht getäuscht. Sie gehörten Alban C. DiCampo und John McMulin, seiner rechten Hand.
»… könnten wir nicht irgendetwas übersehen haben, Sir? Miss Kalder hat uns immerhin vor Geneses gewarnt«, hörte Friedman gerade McMulin sagen.
»Unsinn, sie will sich nur wichtig machen. Ich bleibe dabei: Stella Kalder und ihr arroganter Vater sind zu einem ernsten Sicherheitsrisiko geworden. Die beiden – vor allem das Mädchen – wissen mehr über den Intruder, als für das Projekt gut ist.«
»Und für uns.«
»Fein beobachtet, McMulin. Sie wissen so gut wie ich, dass wir nicht genau nach Dienstvorschrift gehandelt haben. Es vielleicht auch nicht konnten. Und von einer moralischen Bewertung unseres Vorgehens, wie sie Außenstehenden immer so am Herzen liegt, will ich erst gar nicht sprechen. Wir – Sie und ich – könnten aber ernsthafte Schwierigkeiten bekommen, sollten die Kalders ihr Wissen ausplaudern. Und wenn wir untergehen, wird auch das Intruder-Projekt sterben. Dann wäre unser Land schutzlos solchen Cyberterroristen wie da drüben im Geneses-Areal ausgeliefert.«
»Wir handeln also nur im Interesse der nationalen Sicherheit!«, erklang McMulins Stimme selbstgefällig hinter dem Camper hervor.
»Schön, dass wir uns darin einig sind. Wir haben jetzt die einmalige Gelegenheit, unserer Nation einen zweifachen Dienst zu erweisen: Wenn wir uns die Technologie aus dem Geneses-Labor für unseren Intruder nutzbar machen können, werden wir in den Besitz der vielleicht mächtigsten Waffe des Informationszeitalters gelangen.«
»Und worin besteht die zweite gute Tat für unser Land?«
»Sie gehen jetzt wie besprochen in den Camper und stellen die Synapsenmodulation von Stella Kalders NAR-Sonde auf Maximum. Dieses Früchtchen hat mir lange genug auf der Nase herumgetanzt. Aus diesem schönen Traum wird sie nie mehr erwachen. Und wenn wir mit ihr fertig sind, kümmern wir uns um den Vater.«
Stella atmete tief die feinen Tröpfchen ein. Das NeuroBooster-Spray war völlig geruchlos. Sie fühlte sich alles andere als wohl dabei. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, sie hatte sogar ziemliche Angst. Welche Halluzinationen mochten sie diesmal erwarten, wenn sie aus dem Wachtraum zurückkehrte?
Eigentlich fühlte sie sich noch viel zu schwach für diese neue Strapaze, aber Zeit und Umstände waren gegen sie. Jedes Zögern hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Sie erinnerte sich sehr gut an die Worte Brainars. Die von dem Jungen gesetzte Frist lief in nicht einmal fünf Stunden ab.
Und trotzdem, die Angst schien zunächst über den Verstand zu obsiegen. Das Gefühl der Ungewissheit blockierte sie. Obwohl sie eine bleierne Schwere in ihren Gliedern fühlte, wollte die Welt Illusion ihr nicht die Pforten öffnen. Dann spürte sie Salomons Hand.
Den Kopf im Intruder-Helm, konnte Stella ihren Vater nicht sehen, aber sie hörte seine Stimme. »Entspann dich«, sagte er immer wieder. »Ich bleibe bei dir.«
Die Wärme seiner Hand hatte eine beruhigende Wirkung auf sie. Stella fühlte sich nicht mehr so schutzlos, so allein gelassen mit dieser Technik, die ihr zuletzt immer unheimlicher geworden war. Allmählich, ohne es recht zu bemerken, glitt sie in das Niemandsland zwischen Wachen und Schlafen.
BERESHIT
Sie hörte die Stimmen von Vögeln. Auf ihrer Haut spürte sie die lebendige Wärme der Sonne. Vorsichtig öffnete Stella die Augen – und fuhr erschreckt
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