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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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hoch.
    »Wo bin ich hier?«
    »Jedenfalls nicht zu Hause«, antwortete eine vertraute Stimme aus der Nähe.
    Stella wandte sich nach rechts. »Sesa Mina! Schön, dich zu sehen.« Dann schaute sie sich ausführlicher um. Sie saß auf einem hellen sandigen Boden, teilweise beschattet von einem großen Busch, unmittelbar am Fuß einer fremden Stadtmauer. Das Erstaunlichste aber war, dass sie außerhalb des Ortes aufgewacht war anstatt drinnen in irgendeinem gemütlichen Gasthof.
    »Weißt du wirklich nicht, wo wir uns hier befinden?«, fragte Stella und erhob sich auf die Füße.
    »Natürlich. Das ist Bereshit, die geheime Stadt.«
    »Bereshit? Aber das ist ja das Schattenwort aus dem Botendienst von Wallstrejo! Warum hast du mir nicht früher verraten, dass es eine Stadt mit diesem Namen gibt?«
    »Weil ich es damals selbst noch nicht wusste. Das Netz der Schattenspiele war noch nicht geknüpft. Jetzt ist das anders. Wir haben unser Ziel erreicht.«
    Stella blickte die nicht sehr hohe, dafür aber umso heißer glühende Stadtmauer empor. »Unser Ziel?«, wiederholte sie leise.
    »In dieser Stadt werden sich unsere Wege trennen.«
    Die Augen Stellas wanderten unwillkürlich zu ihrer schneeweißen Freundin, die vor ihr am Boden hockte. »Was willst du damit sagen?«
    »Ich bin ganz allein für dich geboren worden. Meine Bestimmung ist und war es, dir bei deiner Suche zu helfen. Bald wird sie vollendet sein.«
    Stella schluckte. Sollte diese Freundschaft, die doch gerade erst begonnen hatte, wirklich so schnell schon wieder enden? Sie erinnerte sich an ihre Überlegungen vor gar nicht allzu langer Zeit. Was hatte Sesa Mina zu dem gemacht, was sie war? Warum konnte sie sprechen und weshalb besaß sie dieses außerordentliche Talent, so gut wie alles zu finden, wonach Stella sie suchen ließ? Jetzt, völlig unerwartet, hatte sie die Antwort erhalten. Und dieses Wissen machte sie nicht glücklich.
    »Werden wir uns denn nie wieder sehen?«, fragte Stella bedrückt.
    »Ganz so habe ich das nicht gesagt«, entgegnete das Frettchen spitzfindig. Mit zwei, drei schnellen Sätzen saß es auf Stellas Schulter und flüsterte ihr ins Ohr: »Halte nur immer schön deine Augen offen und du wirst mich sehen, wo du mich nie erwartest.«
    Es dauerte eine Weile, bis Stella die Worte ihrer Freundin verarbeitet hatte. »Sollten wir voneinander getrennt werden, dann lass mich dir jetzt schon sagen, wie sehr ich dir für alles danke, Mina. Ich werde dich nie vergessen.«
    »Das will ich doch schwer hoffen.« Das Frettchen stupste Stella mit seiner kühlen Nasenspitze an die Wange. »Ich vergesse dich auch nicht. Doch nun lass uns tun, wozu wir hergekommen sind.«
    Stellas Blick wanderte wieder die Mauer hinauf. »Meinst du wirklich, Draggy befindet sich in Bereshit?«
    »Nicht nur er.«
    »Du denkst an Brainar Chorus, nicht wahr?«
    »Du etwa nicht?«
    »Natürlich. Der Junge mit den traurigen Augen geht mir nicht aus dem Kopf. Obwohl ich seine Verwandlung mit eigenen Augen gesehen habe, fällt es mir allerdings immer noch schwer, ihn mir als Lindwurm vorzustellen.« Die vergangenen Ereignisse flatterten noch einmal wie ein Schmetterling durch Stellas Geist. Dann musterte sie die nähere Umgebung. Erwartungsgemäß fehlte jede Spur von ihrer Lanze. Der Speer des Dunklen Lauschers war also wirklich zerbrochen, als jene unheimliche Macht sie in die Tiefe gerissen hatte.
    Plötzlich bemerkte sie die kleine hölzerne Pforte. Sie befand sich auf der anderen Seite ihres Sonnenschutzbusches und war nur teilweise zwischen den Zweigen zu erkennen.
    »Sieh mal da«, sagte Stella zu ihrem Frettchen, »eine Holztür.« Sesa Mina sprang auf Stellas Schulter und ließ sich von ihr an die Pforte herantragen. »Muss sich wohl um einen Nebeneingang handeln.«
    »Na, wie ein Wassertor sieht’s jedenfalls nicht aus.«
    Stella verzichtete auf eine passende Antwort und widmete sich stattdessen der Tür sowie der näheren Umgebung. Wie überall in Illusion war auch hier die Stadtmauer von einem vergleichsweise schmalen Vegetationsstreifen gesäumt, in dem selbst der übliche Wassergraben nicht fehlte. Nur einen Bogenschuss vor dem glühenden Wall lag die lebensfeindliche Wüste. Kein Pfad führte zur Pforte hin. Dieser Nebeneingang schien offenbar noch nie benutzt worden zu sein.
    Stella musterte das Türblatt. Es bestand aus mehreren Bohlen, die mit eisernen Bändern beschlagen waren. Obwohl dick mit Staub bedeckt, wirkte es doch makellos neu, wie frisch aus der

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