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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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starkem amerikanischem Akzent: »Wir gehören zu Hartmann und Reithammer.«
    Die beiden waren Amerikaner! Jetzt war alles klar. Stella hätte niemandem erklären können, was einen weißen Amerikaner von einem Europäer unterschied, aber für sie sahen die Männer und Frauen jenseits des großen Teichs trotzdem irgendwie anders aus. Sie drückte die Sprechtaste.
    »Come in.« Das Englische kam ihr so fließend über die Lippen wie eine Bestellung bei Burger King. Sie drückte den Türöffner, doch als der größere der Ankömmlinge gerade das Gartentor aufstoßen wollte, schoss ihr ein hinterhältiger Gedanke durch den Kopf und sie ließ die Taste wieder los. Der Amerikaner stemmte sich vergeblich gegen das Gitter. Darauf sah er wieder in die Kamera und machte gute Miene zum bösen Spiel. »Die Tür geht nicht auf«, erläuterte er sein Problem. Stella lächelte spitzbübisch und drückte noch einmal auf den Knopf. Diesmal gewährte sie den Fremden bereitwillig Zutritt zum weitläufigen Anwesen der Kalders.
    Die beiden Männer kamen den gewundenen Pfad im Garten herauf und mussten sich wenig später den misstrauischen Blicken Stellas stellen. Jetzt verstand sie, was der eher sportlich-leger gekleidete Reithammer mit »Plastikanzügen« gemeint hatte. Die Anzüge der Männer, dunkelblau und anthrazitfarben, mussten aus Polyester oder irgendeinem anderen Kunststoff bestehen. Sie glänzten oberflächlich wie Seide, konnten aber ihren wahren Ursprung aus der Retorte in keiner Weise verheimlichen. Die Beinkleider der Amerikaner waren einen Hauch zu kurz, und der ganze Schnitt der Anzüge um etwa neun Jahre hinter dem Stand der Mode.
    »Nett, Sie zu treffen«, eröffnete der Fremde das Gespräch, der schon vor der Kamera das Wort geführt hatte. Er besaß wasserblaue Augen und volle strohblonde Haare, die streng nach hinten gekämmt und mithilfe irgendeines klebrigen Mittels dort fixiert waren. »Mein Name ist Walter Friedman und das hier ist Jake H. Finmore. Sie sprechen ein perfektes Englisch, Miss Kalder.«
    »Und das haben Sie an nur zwei Wörtern erkannt?«, konterte Stella spitz. Argwöhnisch musterte sie den zerbrechlich wirkenden Finmore, dessen Augen sich hinter dicken Brillengläsern ständig in Bewegung befanden. Der kleine Amerikaner wirkte in seinem glänzenden Anzug wie ein scheues blaues Reptil, das sich ständig nach Feinden umblickte.
    Friedman lächelte mit der perfekten Unverbindlichkeit, wie sie nur Amerikaner zustande bringen. »Sagen wir, wir sind auf diesen Besuch gut vorbereitet worden, Miss. Dürfen wir eintreten?«
    Die Äußerung des Fremden entfachte Stellas Misstrauen. Heute früh waren die BND-Beamten aufgetaucht, vor gerade fünf Tagen hatte es die ersten Computerunglücke gegeben – und dieser Amerikaner war »gut vorbereitet«! Was hatte das zu bedeuten? Sichtlich eingeschüchtert geleitete sie die beiden Herren ins Esszimmer zu den dort Wartenden.
    Stella und ihr Vater waren nicht wenig überrascht, als sich Mr. Friedman und Mr. Finmore als amerikanische Bundesbeamte vorstellten. Finmore gehörte zur Central Intelligence Agency – nie zuvor hatte Stella einen leibhaftigen CIA-Agenten gesehen – und Friedman zur National Security Agency, von der in den letzten Tagen schon mehrfach die Rede gewesen war.
    Der NSA-Beamte – spürbar um eine unverkrampfte Atmosphäre bemüht – wies während seiner Selbstvorstellung darauf hin, dass er der Sohn deutscher Auswanderer aus Niedersachsen sei. Seine Deutschkenntnisse hätten ihn wohl in den Genuss dieser Dienstreise gebracht. Er und Finmore seien gerade erst auf dem Flughafen Tegel gelandet. Da sein Kollege des Deutschen nicht mächtig sei, bitte er die Unterhaltung in Englisch fortzusetzen.
    »Niemand hat mir bisher gesagt, dass die NSA bei der Sache ihre Finger im Spiel hat«, antwortete Mark aufgebracht in akzentfreiem amerikanischem Englisch. Während seines mehrjährigen Aufenthalts in Cambridge und Berkeley hatte er diese Sprache perfekt erlernt. Für Stella stellte sie sowieso kein Problem dar. Einzig Hartmann und Reithammer mussten sich anstrengen, um dem Dialog folgen zu können. Hatten sie bisher das Wort geführt, übernahmen sie jetzt – offenbar wie abgesprochen – die Rolle der passiven Zuhörer.
    »Die Zeit für alles war äußerst knapp«, erwiderte Friedman höflich. »Ich möchte mich trotzdem entschuldigen, wenn bei Ihnen irgendwelche Irritationen bezüglich unseres Hierseins aufgekommen sein sollten. Vielleicht haben Sie

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