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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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findet es auch einen Weg. Sein schlanker Körper zwängt sich durch jede Lücke. Selbst in den weit verzweigten Höhlensystemen der Kaninchenbaue stellt diese Marderart seiner Beute hartnäckig nach. Die Frettchen sind sogar hervorragende Schwimmer, die sich auch mal einen Fisch erjagen.« Salomon nickte bestimmt, als gefalle ihm dieser Vergleich besonders gut. »Einem Iltis entkommt wirklich so schnell nichts.«
    »Und ich muss mir keine Gedanken darüber machen, wie ich diesen Generalschlüssel… äh, ich meine, das Frettchen einzusetzen habe?«
    »Das übernimmt der Intruder, du musst nur träumen. Wenn du dir in den Kopf gesetzt hast, in eine Server-Stadt oder -Burg einzudringen, dann wird das Frettchen einen Weg für dich finden.«
     
     
    Von Freitag auf Samstag hatte Stella nur wenig geschlafen. Das bevorstehende Abenteuer verdrängte für einige Stunden alles, was ihr bis dahin im Kopf herumgegangen war. Selbst die nächtlichen Verfolger blieben aus. Stella träumte von einer mittelalterlichen Stadt, in der sie als Frettchenverkäuferin auf dem Markt ihre quirligen Kaninchenjäger feilbot.
    Als ihr Vater sie schließlich weckte, bekam sie einen gehörigen Schrecken.
    »Du siehst aus wie Frankenstein.«
    Salomon lächelte säuerlich. »Vielen Dank. Ich habe fast die ganze Nacht durchgearbeitet, damit du heute mit deinem Kagee- Frettchen einen Ausflug ins Land der Illusionen unternehmen kannst.«
    »Entschuldigung, war nicht so gemeint.«
    »Schon gut. Frühstücken wir zusammen? In einer knappen Stunde erwartet das Intruder-Team seine erste Cybernautin.«
    »Klar. In einer Minute bin ich so weit.«
    Aus der Minute wurden dann doch knapp tausend Sekunden. Aber das war Salomon schon gewohnt. Stella hatte zwei Paar Jeans mitgenommen. Sie zog die blauen an. Dazu wählte sie ihr bestes T-Shirt aus. Es war rot und trug die Aufschrift »Rettet die Wale«. Ihre glatten blonden Haare fasste sie im Nacken mit einem elastischen Stoffband zusammen.
    Nach dem Frühstück in der Kantine, dem sich auch Agaf, Kimiko und Benny hinzugesellt hatten, begab man sich in den sechsten Stock hinab.
    Der Rote John ließ die Cyberworm-Mitglieder in den Hochsicherheitstrakt ein.
    DiCampo wartete schon auf die Cybernautin. Auch das übrige Team, bestehend aus UN- und NSA-Mitarbeitern, war fast vollzählig anwesend. Die meisten saßen bereits im Beobachtungsraum hinter der getönten Scheibe.
    »Hi, Stella«, begrüßte Gwen ihre Schülerin mit unerschütterlicher Fröhlichkeit. »Wie fühlst du dich heute?«
    »So, als müsste ich gleich auf den elektrischen Stuhl steigen.«
    Gwen stieß ein trompetendes Lachen aus. »Na, ›elektrisch‹ ist der Stuhl ja wirklich, Kindchen. Aber die Stromstärke wird wohl nicht reichen, um dich zu rösten.«
    »Das ist sehr tröstlich«, entgegnete Stella leise.
    Gwen schien das schüchterne blasse Mädchen vor ihrer Nase sehr erheiternd zu finden. Kopfschüttelnd bemerkte sie: »So kenne ich dich noch gar nicht, Stella. Wo hast du nur dein vorlautes Mundwerk gelassen?«
    »Wird es wehtun?«, fragte Stella, ohne weiter auf die ihrer Meinung nach ziemlich überflüssige Bemerkung der Ingenieurin einzugehen.
    »Unsinn! Das habe ich dir doch alles schon erklärt. Komm her.«
    Gwen half Stella auf den Stuhl, den Traum eines jeden Zahnarztes, und schnallte sie um die Taille herum fest. Dies solle verhindern, dass Stella unversehens von ihrem Stuhl »absteige«, wenn sie einmal gar zu heftig träume. Alsdann bettete Gwen die Arme der Cybernautin auf die seitlich angebrachten Lehnen. Der Joystick lag nun in Stellas rechter Hand und ihre Linke konnte bequem die schwenkbare Konsole erreichen, auf der eine Computertastatur befestigt war. Dann – Stella atmete tief durch, um die aufkommende Übelkeit zu vertreiben – wurde es ernst.
    »Dieses Fläschchen hier verwendet man wie ein ganz normales Nasenspray«, erläuterte Gwen, immer noch lächelnd. »Darin befindet sich der Wirkstoff, durch den du in den Wachtraum versetzt wirst. Keine Angst: Es tut nicht weh, brennt nicht oder stellt sonst irgendwelche ekligen Sachen mit dir an. Du wirst dich anschließend nur etwas müde fühlen…«
    »Werde ich denn einschlafen?«, fragte Stella dazwischen.
    Gwen bewegte den Kopf, als wisse sie nicht, ob sie ihn schütteln oder damit doch besser nicken sollte. »Sagen wir, du wirst dich so fühlen, als würdest du es. Aber nur ein Teil von deinem Bewusstsein schläft wirklich ein. Die Leistung deiner Sinnesorgane und deine

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