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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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mit mir. Wenn du nur wüßtest, wie entsetzlich es ist, mit einem Mann zu leben, der dich nicht will. Lámar hat mich gehaßt, weil ich ihn gezwungen habe, mich mit nach New York zu nehmen. Ich habe immer wieder erklärt, ich wäre schwanger, und er war davon überzeugt, daß ich es nicht sein könnte. Als wir nach New York kamen, zogen wir in eine billige Pension,und er unterrichtete in Juilliard. Immer wieder redete er von dir, sagte, er wünschte, ich wäre mehr wie du, dann hätte er mich vielleicht lieben können. Der Dummkopf! Welcher Mann könnte eine Frau wie dich schon genießen?«
    Sie warf mir einen sonderbaren, blitzschnellen Blick zu und ließ Tränen aus ihren Augen quellen. »Es tut mir leid. Auf deine eigene Art bist du sehr schön.«
    Sie schniefte und fuhr fort: »Während Lámar unterrichtete, begann ich mit meiner Ausbildung als Krankenschwester. Die Bezahlung hätte nicht einmal ausgereicht, um einen Vogel zu ernähren. In meiner spärlichen Freizeit habe ich dann als Modell für eine Kunstschule gejobbt. Ich habe Lámar gebeten, dasselbe zu tun, aber er war zu schüchtern, um sich auszuziehen. Modelle haben keinen Fetzen am Leib, weißt du. Ich bin immer schon stolz auf meinen Körper gewesen. Aber der dumme Lámar war zu bescheiden dafür und zu stolz. Er haßte mich noch mehr, weil ich mich all den Männern in den Klassen zeigte. Jedesmal wenn ich gejobbt hatte, fand ich ihn betrunken vor, wenn ich heimkam. Bald trank er so viel, daß er entlassen wurde. Er konnte nicht mehr Klavier spielen, wir waren gezwungen, in ein heruntergekommenes Viertel zu ziehen, wo er armen Kindern Klavierunterricht gab–Kindern, die nie genug Geld hatten, um ihn zu bezahlen–da bin ich fort.
    Ich hatte die Nase voll. An dem Tag, als ich meine Prüfung als Krankenschwester abgelegt hatte, las ich in der Zeitung, daß Lámar sich im Hudson ertränkt hatte.«
    Sie seufzte und starrte ins Leere. »Noch eine Beerdigung, an der ich nicht teilnehmen konnte. Ich habe an dem Tag, als sie ihn beerdigt haben, gearbeitet. Ich war froh, daß seine Eltern gekommen sind, um sich um seinen Leichnam zu kümmern.«
    Sie verzog das Gesicht und ließ den Kopf hängen. Schweigen lastete auf dem Zimmer.
    Ich trauerte um einen Mann, der mir hatte helfen wollen und dann unschuldig in die Falle getappt war, die Vera ihm gestellt hatte. Ich wußte, wer hier wen verführt hatte.
    »Ich nehme an, du denkst, ich hätte die Schuld daran, daß er sich umgebracht hat, nicht wahr?«
    »Ich weiß nicht, was ich denken soll.«
    »Nein, natürlich nicht!« schrie sie zornig, sprang auf und lief im Zimmer auf und ab. »Du hattest es ja leicht, du bist hier geblieben, wo man sich um dich gekümmert hat. Du brauchtest dich niemals der Welt zu stellen, all der Häßlichkeit, all den Dingen, die man machen muß, wenn man am Leben bleiben will. Ich habe viel durchgemacht, Audrina, sehr viel! Ich bin hergekommen, um zu helfen–und ihr wollt mich nicht.«
    Schluchzend ließ sie sich aufs Sofa fallen, Tränen liefen über ihre Wangen.
    Ungläubig sah ich sie weinen. Billie, die zugehört haben mußte, kam ins Zimmer gerollt. Wie der Blitz saß sie neben Vera auf dem Sofa und versuchte sie zu trösten.
    Augenblicklich schreckte Vera zurück. Ein abgehackter, hysterischer Schrei kam über ihre Lippen. Dann wurde sie bleich. »Oh…es tut mir leid. Es ist bloß…ich mag nicht angefaßt werden.«
    »Ich verstehe schon.«
    Billie ließ sich auf ihren Karren hinab und verschwand.
    »Du hast ihre Gefühle verletzt, Vera. Und du hast versprochen, daß du, solange du in diesem Haus bist, nichts tun oder sagen würdest, was Billie verletzt oder ihr das Gefühl geben könnte, nicht erwünscht zu sein.«
    Vera erklärte, sie hätte verstanden. Es täte ihr leid, undsie würde nie wieder zurückschrecken. Es war nur, weil sie nicht daran gewöhnt war, von einer Frau ohne Beine berührt zu werden, von einem Krüppel. Ich starrte auf ihren Schuh, auf den mit der dickeren Sohle, und es bereitete mir eine eigentümliche Schadenfreude zu sehen, wie sie blaß wurde.
    »Mein Hinken bemerkt man jetzt doch gar nicht mehr, oder?« fragte sie. »Wir haben alle unsere kleinen Fehler–du zum Beispiel vergißt alles.«
    Bald erzählte mir Arden, wann immer wir allein waren–was gewöhnlich erst abends der Fall war–,welch wundervolle Hilfe Vera wäre, die seiner Mutter–und auch mir natürlich–so viel Arbeit abnahm. »Wir sollten alle froh darüber sein, daß sie wieder hier

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