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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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setzte sie an die Lippen, als Sylvia vorwärts schoß. Mit aller Gewalt warf sie sich gegen Vera, die fiel und nach mir griff. Dabei schlug sie mir die Tasse aus der Hand. Sie fiel zu Boden und zerbrach, und Vera und ich stürzten mit dem Stuhl um.
    Vor Wut kreischend und mit schmerzverzerrtem Gesicht wollte Vera Sylvia bestrafen…aber sie hatte sich den Knöchel verrenkt.
    »Oh, verdammte Idiotin! Ich werde heute abend noch mit Papa darüber sprechen, daß er sie endlich fortbringt!«
    Ich blinzelte und versuchte, wieder richtig zu sehen. Dann raffte ich mich auf und zog aus alter Gewohnheit Sylvia in meine Arme. »Nein, Vera, solange ich lebe, wird Sylvia nirgendwo hingebracht. Warum gehst du nicht? Ich übernehme die Hausarbeit und das Kochen. Wir brauchen dich nicht mehr.«
    Sie fing an zu weinen. »Nach allem, was ich für dich getan habe, um dir zu helfen, willst du mich jetzt nicht mehr.«
    Sie schluchzte, als würde ihr das Herz brechen. »Du bist verwöhnt, Audrina, so schrecklich verwöhnt. Wenn du ein Rückgrat hättest, dann hättest du dieses Haus schon vor langer Zeit verlassen.«
    »Vielen Dank, daß du für mich gesorgt hast, Vera, aber von heute an komme ich allein zurecht.«
    Eines Tages im Sommer kam Arden schon sehr früh aus dem Büro heim. Er stürzte ins Schlafzimmer.
    »Genug ist genug!« brüllte er. »Ich hätte das schon vor Monaten tun sollen! Du kannst nicht dein und mein Leben wegwerfen, nur weil du nicht reif genug bist, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Vom Augenblick unserer Geburt an umgibt uns der Tod auf allen Seiten. Denk auch einmal darüber nach, Audrina.«
    Seine Stimme wurde weicher, und er zog mich an sich. »Niemand stirbt wirklich. Wir sind die Blätter eines Baumes; im Frühling unseres Lebens knospen wir, und im Herbst unseres Lebens fallen wir ab. Aber wir kommen wieder. Genauso wie die Blätter des Frühlings kommen wir, leben wir wieder.«
    Zum ersten Mal seit jenem schrecklichen Tag, an dem Billie gestürzt war, bemerkte ich die Müdigkeit meines Mannes, sah die kleinen Falten um seine müden, rotgeränderten Augen. Augen, die tiefer in den Schädel gesunken waren, genau wie meine. Er hatte sich nicht rasiert und sah aus wie ein Fremder, den ich nicht kannte und nicht liebte. Ich sah Makel in seinem Gesicht, die ich nie zuvor bemerkt hatte.
    Ich wich zurück, fiel aufs Bett und blieb dort einfach liegen. Er kniete neben mir, legte den Kopf auf meine Brust und flehte mich an, zu ihm zurückzukommen. »Ich liebe dich, und Tag für Tag tötest du mich. Ich habe meine Mutter und meine Frau am selben Tag verloren–und ich esse immer noch, gehe immer noch zur Arbeit, mache immer noch weiter. Aber ich kann nicht so weiterleben–wenn man das überhaupt als Leben bezeichnen kann.«
    Irgend etwas in mir bekam einen Knacks. Meine Arme schlangen sich um ihn, meine Finger vergruben sich in sein dichtes Haar. »Ich liebe dich, Arden. Verlier nicht dieGeduld. Bleib bei mir, und ich werde zu dir kommen, deinen Weg mit dir gehen…ich weiß, daß ich das tun werde, denn ich will es.«
    Fast weinend küßte er mich mit beinahe wahnsinniger Leidenschaft, ehe er sich schließlich von mir löste und lächelte. »Also gut. Ich bin bereit zu warten–aber nicht für ewig. Vergiß das nicht.«
    Kurz darauf ging er ins Bad und duschte, Sylvia war in ihrer Ecke aufgestanden und stand jetzt am Fuß meines Bettes. Verzweifelt versuchte sie, ihre Augen auf mich zu richten. Flehend streckte sie die kleinen Hände nach mir aus, bat mich, auch zu ihr zurückzukommen. Sie hatte sich verändert. Ich kannte sie kaum noch.
    Mit zwölf Jahren hatte sich Sylvias Körper fast über Nacht (oder habe ich es nur nicht gemerkt?) zu dem einer Frau entwickelt. Jemand hatte ihr Haar gebürstet und mit einem wasserblauen Satinband zu einem Pferdeschwanz gebunden; das Band paßte genau zu einem Kleid, das ich nie zuvor an ihr gesehen hatte. Völlig überrascht starrte ich in das hübsche, junge Gesicht, starrte den wohlgeformten jungen Körper an, dessen Kurven von dem enganliegenden Kleid betont wurden. Wie dumm war ich gewesen zu glauben, daß Sylvia irgend jemandem irgend etwas antun konnte. Sie brauchte mich. Wie hatte ich in meiner Apathie Sylvia vergessen können?
    Ich starrte sie an, sie war wieder in die dunkelste Ecke gekrochen und hockte dort, die Knie angezogen, so daß ihr Höschen zu sehen war. Zieh dein Kleid herunter, dachte ich, und sah ohne Überraschung, wie sie gehorchte. Vor langer Zeit hatten

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