Das Netz
einem freundlichen Lächeln öffnete er die Tür und ließ Paula hinaus in die neblig-kalte Nacht. Auf dem Weg hinüber zum Haus von Olaf Margesson überlegte sie sich, was sie an dem Gespräch mit Palfry gestört hatte. Irgendetwas war da gewesen.
Paula war immer noch nicht dahintergekommen, was ihr an Palfry nicht ganz geheuer gewesen war, als sie an Margessons grün gestrichener Villa klingelte.
Der bärtige Riese, der Paula in seinem wallenden Gewand abermals stark an einen Propheten aus dem alten Testament erinnerte, gab sich keine Mühe, seine Ablehnung zu verbergen.
»Der Herr bewahre mich vor der Versuchung!«, donnerte er los, kaum dass er Paula erblickt hatte. »Verschwinden Sie und lassen Sie mich mit Ihrem Ränkespiel in Ruhe. Nach Einbruch der Dunkelheit kommt mir keine Frau mehr ins Haus.«
Mit diesen Worten knallte Margesson ihr die Tür vor der Nase zu, und Paula blieb nichts anderes übrig, als kopfschüttelnd den Rückzug anzutreten. Sie sagte sich, dass ein Gespräch mit diesem religiösen Fanatiker ohnehin die reine Zeitverschwendung gewesen wäre.
Nachdenklich ging sie weiter zu Billy Hogarths Bungalow, wo durch die geschlossenen Fensterläden ein schmaler Lichtstreifen nach außen drang. Sie atmete tief durch und drückte in der Hoffnung, dass Billy wenigstens halbwegs nüchtern war, den Klingelknopf. Als gleich darauf die Tür geöffnet wurde, sah sie sich zu ihrem Erstaunen einem großen, gut aussehenden Mann gegenüber, der glatt rasiert und tadellos gekleidet war. Er war etwa Mitte vierzig.
»Entschuldigen Sie die späte Störung«, sagte Paula, »aber ich hätte gern mit Billy Hogarth gesprochen.«
»Kommen Sie doch herein, da draußen ist es ja furchtbar ungemütlich. Ich bin Martin Hogarth. Mein Bruder Billy hat leider etwas zu viel getrunken und ist kaum ansprechbar. Und Sie sind...?«
»Pardon, ich habe vergessen, mich vorzustellen. Mein Name ist Paula Grey...«
»Tweeds legendäre Assistentin. Sie brauchen mir erst gar nicht Ihren Ausweis zu zeigen, ich weiß bestens Bescheid. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
Als Paula in den engen Flur trat, schloss Martin eilig die Tür und lächelte ihr dabei freundlich zu. Zu freundlich, fand Paula, die Männern wie ihm zutiefst misstraute. Martin nahm sie am Arm und führte sie in ein gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer, wo sich ein kräftig gebauter Mann mit grauem Vollbart und dichtem weißem Haar aus einem der Sessel erhob und dann mit geschmeidigen Bewegungen auf Paula zukam.
»Herzlich willkommen«, sagte er und streckte ihr eine große Hand entgegen. »Es tut gut, mal jemand anders zu sehen als nur meinen stinklangweiligen Bruder.«
Paula, die beim Anblick seiner Pranke schon Angst um ihre Fingerknochen gehabt hatte, war von Billys sanftem Händedruck angenehm überrascht.
»Wollen Sie etwas trinken?«, fragte Martin.
»Einen Kaffee, wenn es Ihnen keine Umstände macht.«
»Aber natürlich nicht«, antwortete Martin lächelnd und ging in Richtung Küche.
»Ich bin Paula Grey vom SIS«, stellte Paula sich gegenüber Billy vor, nachdem Martin verschwunden war.
Billy roch nach Bier, und sein Gesicht war schweißnass.
»Gestatten Sie?«, sagte Paula und tupfte ihm mit ihrem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Es erstaunte sie selbst, dass sie das tat, aber irgendwie hatte sie den massigen Mann spontan ins Herz geschlossen.
Er lächelte verlegen, dankte ihr und murmelte etwas von einer zu stark aufgedrehten Heizung. Dann bat er sie, in einem der Lehnsessel Platz zu nehmen. Während er zu dem Sessel zurückschlurfte, in dem er zuvor gesessen hatte, schnüffelte Paula verstohlen an ihrem Taschentuch. Es roch nach Bier. Billy hatte sich offenbar das Gesicht damit eingerieben, um wie ein Betrunkener zu riechen. Aber warum?
Er nahm das Bierglas, das vor ihm auf dem Couchtisch stand, und trank einen kleinen Schluck daraus.
»Womit kann ich Ihnen behilflich sein, Miss Grey?«, fragte er.
»Ich habe gehofft, dass Sie mir etwas über Mrs Warner erzählen könnten, Mr Hogarth.«
»Bitte, nennen Sie mich doch einfach Billy.«
»Mrs Warner ist jetzt schon seit drei Wochen verschwunden. Soviel ich weiß, sind Gerüchte im Umlauf, dass sie mit einem Liebhaber durchgebrannt ist, aber irgendwie glaube ich nicht dran.«
»So was kann man nie wissen«, mischte Martin sich ein, der gerade auf einem Tablett eine Tasse aus Meißener Porzellan sowie ein Milchkännchen und eine Zuckerdose hereinbrachte. »Darf ich Ihnen den
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