Das Netz
Sie nicht wegen des ersten Satzes verklagen?«, fragte Paula.
»Das habe ich gerade von unserem Anwalt überprüfen lassen. Er hat mir grünes Licht gegeben.«
»Wenn Warner das mit der El Kaida liest, dreht er bestimmt durch. Er möchte mit allen Mitteln verhindern, dass etwas darüber in die Presse gelangt.«
»Das glaube ich gern. Aber vielleicht rüttelt meine Kolumne ja den Premierminister in letzter Sekunde auf. Sie sollten wissen, Miss Grey, dass ich ein Journalist mit Verantwortungsbewusstsein bin.«
»Sie trauen Warner wohl nicht zu, dass er mit der gegenwärtigen Bedrohung fertig wird?«
»Da sprechen Sie ein wahres Wort gelassen aus. Und deshalb hoffe ich, dass meine Kolumne im Kabinett wie eine Bombe einschlägt. Genau das ist meine Absicht. Aber jetzt hätte ich mal eine Frage an Sie. Wie kommt denn Tweed eigentlich mit seinen Ermittlungen voran?«
»Er verfolgt verschiedene Spuren«, antwortete Paula zurückhaltend.
»Nun hören Sie aber auf, Miss Grey. Mir als altem Hasen brauchen Sie mit solchen nichts sagenden Formulierungen nicht zu kommen. Das bedeutet doch nichts anderes, als dass er nach wie vor mit leeren Händen dasteht.«
Franklin setzte sich auf das Sofa und schlug die Beine übereinander.
»Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede, Miss Grey«, sagte er. »Statt in London seine Zeit mit toten Informanten zu verschwenden, sollte Tweed lieber dem sinistren Völkchen hier in Carpford mal gehörig auf den Zahn fühlen. Tja, vielleicht sind Sie ja gerade deswegen hier. Mit wem haben Sie denn schon alles gesprochen?«
»Erst mit Peregrine Palfry und dann mit Margesson, aber der hat mir bloß die Tür vor der Nase zugeschlagen. Danach war ich noch bei Billy Hogarth, bei dem gerade sein Bruder Martin zu Besuch war.«
»Martin sollten Sie besonders genau unter die Lupe nehmen, Miss Grey. Aber für den Anfang haben Sie das nicht schlecht gemacht. Ist schon lange her, dass ich so etwas zu jemandem gesagt habe.«
»Ich muss jetzt leider wieder gehen«, sagte Paula und zog ihre Windjacke wieder an. »Danke, dass Sie mir so viel von Ihrer kostbaren Zeit gewidmet haben. Bestimmt wollen Sie jetzt Ihre Kolumne zu Ende schreiben.«
»Sie haben’s erraten«, sagte Franklin und erhob sich. »Wie kommen Sie denn zurück nach London? Es ist schon spät.«
»Ich bin mit dem Auto da.«
Franklin brachte Paula zur Tür.
»Nehmen Sie sich in Acht, hier im Ort sind Sie nicht sicher«, flüsterte er ihr zu, bevor sie hinaus in die Nacht trat.
Nachdenklich machte sich Paula auf dem Rückweg zu ihrem Wagen. Der Nebel war inzwischen noch dichter geworden, sodass sie kaum die eigene Hand vor den Augen sehen konnte. Sie hatte sich noch nicht allzu weit von Franklins Haus entfernt, da hörte sie auf einmal Schritte hinter sich. Gerade als sie sich umdrehen wollte, bekam sie einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf. Sie verlor das Bewusstsein.
24
Als Paula wieder langsam zu sich kam, hatte sie das Gefühl, aus einer tiefen Narkose aufzuwachen. Sie konnte kaum einen zusammenhängenden Gedanken fassen und lag noch eine ganze Weile mit geschlossenen Augen still da, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Dabei lauschte sie angestrengt, ob jemand in der Nähe war, konnte aber nichts hören. Es war totenstill. Allmählich spürte sie ihren Körper wieder, und ihr wurde bewusst, dass man ihr die Hände gefesselt hatte und sie auf einer Art Holzpritsche lag. Wo zum Teufel war sie? Langsam öffnete sie die Augen, und was sie dann sah, war nicht gerade ermutigend. Sie lag auf dem Rücken in einem quadratischen, fensterlosen Raum mit Natursteinboden. Zu ihrer Rechten war eine schwere Holztür mit Gitterfenster, das auf der Außenseite offenbar mit einer Klappe versehen war. Paula fror und fühlte sich steif wie ein Brett. Vorsichtig richtete sie den Oberkörper auf. Dabei bemerkte sie, dass auch ihre Füße gefesselt waren. Immerhin hatte man ihr etwa zwei Handbreit loses Seil zwischen den beiden Fußgelenken gelassen, sodass sie die Füße etwas bewegen konnte. Mit Erleichterung stellte Paula zudem fest, dass ihre Peiniger ihr nicht die Stiefel ausgezogen hatten, und dass auch ihre Hände nicht allzu eng aneinander gefesselt waren. Die Ärmel ihrer Windjacke hatte man hochgekrempelt. Auf ihrem linken Unterarm klebte ein Pflaster. Man hatte sie also tatsächlich betäubt! Wie lange sie wohl hier gelegen hatte?
Mit Mühe gelang es Paula, ihren noch immer nicht ganz klaren Kopf zu drehen, um über die Schulter
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