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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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habe ja nicht einmal eine Zahnbürste.»
    «Ist es so schwer, eine neue Zahnbürste zu kaufen?», polterte Stone, und einen Augenblick lang sah es so aus, als ob Marjorie wieder zu weinen anfangen würde. Stone griff in den Karton, zog noch ein paar Geldbündel hervor und reichte sie Marjorie ohne sich die Mühe zu machen, sie zu zählen.
    «Ich hebe alle Quittungen auf», sagte sie.
    «Ja, tun sie das. Heben Sie die Quittungen auf.» Stone nahm sie am Arm und führte sie zur Tür.
    «Die Schlüssel bitte», sagte er. «Braves Mädchen.»
    Gemeinsam gingen sie nach unten, wo Stone sich durch das kleine Fenster in der Eingangstür sorgfältig auf dem Parkplatz umsah. Als er dort keine verdächtigen Wagen bemerkte, trat er hinaus und brachte Marjorie zum Rockville Pike. Erst nach ein paar qualvollen Minuten des Wartens hielt ein leeres Taxi an.
    «Bringen Sie die Dame zum Flughafen», sagte Stone dem Fahrer und hielt Marjorie die Tür auf.
    «Denken Sie an das, was ich Ihnen gesagt habe», sagte er zum Abschied. «Bleiben Sie in Lakeland und sprechen Sie mit niemandem, bis ich mich bei Ihnen melde. Ich zähle auf Sie!»
    «Jawohl, Sir», antwortete Marjorie mit jenem blinden und automatischen Vertrauen in den Vorgesetzten, das jedem disziplinierten Soldaten zu eigen ist, ganz gleich, in welcher Einheit er dient.
    Das Taxi fuhr los, und Stone eilte zurück zum Laden. Noch einmal machte er einen raschen Rundgang durch die Räume, bevor er den Karton zu seinem Wagen brachte. Kurz vor zehnverließ er den Parkplatz und fuhr nach Westen in Richtung Potomac. An einem Picknickplatz auf der in Maryland gelegenen Seite der Great Falls, der an einem Oktobermorgen wie diesem völlig verlassen war, stellte er den Wagen ab. Er stieg aus, ging zu einem Grillplatz und schichtete, nachdem er das Geld beiseitegelegt hatte, den Inhalt des Kartons in der gemauerten Feuerstelle zu einem kleinen Scheiterhaufen auf. Dann klopfte er seine Taschen nach Streichhölzern ab und fluchte laut, als er keine fand. Schließlich kam ihm die Idee, den Zigarettenanzünder aus dem Auto zu verwenden, was erstaunlich gut funktionierte. Innerhalb weniger Minuten waren sämtliche Unterlagen über die Scheinfirma Karpetland nur noch ein Häufchen Asche.
     
    Als Nächstes fuhr Stone zu seinem Haus in der N Street, um zwei wichtige Telefongespräche zu führen. Weil ihm aber im letzten Moment einfiel, dass es vielleicht nicht so klug war, die Anrufe von seinem eigenen Apparat aus zu führen, klopfte er am Haus gegenüber, in dem eine freundliche alte Frau wohnte. Er erklärte ihr, dass sein eigenes Telefon eine Störung habe, und fragte sie, ob er von dem ihren zwei wichtige Auslandsgespräche führen dürfte. Natürlich durfte er. Die Frau fühlte sich geradezu geschmeichelt, dass der große, geheimnisumwitterte Mr.   Stone ausgerechnet sie um einen Gefallen bat.
    Der erste Anruf ging an Taylor in Istanbul. Dort war es schon später Nachmittag, aber zum Glück war Taylor noch immer im Büro, weil er sich mit dem Verwaltungsbeamten des Konsulats über den Mietzuschuss für einen neuen CI A-Agenten stritt, der im Dezember in Istanbul anfangen sollte. Taylor hasste diesen Verwaltungskram, aber aus einem ihm nicht bekannten Grund war sein Stellvertreter, der solche Dinge normalerweise regelte, seit eineinhalb Tagen nicht im Büro erschienen.
    «Wir haben ein Problem», sagte Stone ohne ein Wort des Grußes, als er Taylor am Apparat hatte.
    «Was für eines?»
    «Ein gewisser Teppichladen muss früher schließen, als wir gedacht haben.»
    «Wie viel früher denn?»
    «Heute. Vermutlich genau jetzt. Die Mutterfirma hat angekündigt, ihn heute Vormittag zu übernehmen.»
    «Tatsächlich?», fragte Taylor. Seltsamerweise war er weder am Boden zerstört noch zutiefst erschrocken, sondern verspürte lediglich ein seltsames Gefühl der Erleichterung darüber, dass das Unausweichliche endlich passiert war. Aber er wusste auch, dass er eine gewisse Betroffenheit zeigen musste. «So ein Mist!», sagte er.
    «Was soll’s?», erwiderte Stone. «Jetzt kommt es darauf an, dass wir möglichst rasch alle noch offenen Posten bereinigen. Ich denke da an einen gewissen Herrn in Ihrer Bekanntschaft, der normalerweise in Brooklyn wohnt.»
    «Verstehe.»
    «Ist er immer noch in Ihrer Stadt?»
    «Soweit ich weiß, schon. Aber ich habe ihn seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen.»
    «Dann schlage ich vor, dass Sie ihn unverzüglich aufsuchen und mit dem nächsten Flugzeug auf eine

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