Das Netzwerk
dann freikommen würde, wenn die Amerikaner im Austausch für sie einen russischen Spion freiließen oder den Sowjets eine andere signifikante Konzession machten, und diese Strategie verfolgte Margaret unermüdlich.
Den Anfang machte ein Besuch bei Edward Stone in dessen Haus in Georgetown. Weil Margaret selbst gerade mal drei Blocks von ihm entfernt in der Q Street wohnte, ging sie die kurze Strecke zu Fuß. Sie trug einen schicken, schwarzen Pelzmantel, und ihr sorgfältig hochgestecktes Haar glänzte noch von der Kurpackung, die es am Vormittag beim Friseur bekommen hatte. Es war ein eiskalter Dezembertag, und Stone trank vordem offenen Kamin in seiner Bibliothek gerade Tee, als Margaret an der Haustür klingelte. Stone, ganz der wohlerzogene Gentleman, begrüßte sie zuvorkommend, aber auf Margaret, die ihn seit fast vier Jahrzehnten kannte, wirkte er irgendwie beunruhigt. Und noch etwas fiel ihr auf, was sie bisher noch nicht an ihm bemerkt hatte: Er sah alt aus.
«Du solltest dich was schämen», sagte sie, als sie miteinander vor dem offenen Kamin saßen.
«Das ist ja nicht gerade eine freundliche Begrüßung», erwiderte Stone. «Möchtest du vielleicht etwas Tee?»
«Ja, bitte.»
Stone rief seine Frau, damit sie Margaret eine Tasse brachte, aber die hatte sich bereits in den ersten Stock zurückgezogen. Über lange Jahre ihrer Ehe hinweg hatte sie den Verdacht gehegt, dass Margaret und ihr Mann eine Affäre hatten, und vermied deshalb so weit wie möglich den Kontakt mit ihr. Als seine Frau nicht antwortete, wartete Stone eine Weile, ob Margaret sich ihre Tasse selber holte, bevor er leise vor sich hin grummelnd aufstand und in die Küche schlurfte. Als er zurückkam, stellte er die Tasse vor Margaret auf den Tisch und ließ sie sich ihren Tee demonstrativ selber eingießen.
«Das mit Anna tut mir leid», sagte er. «Falls du deswegen sauer auf mich bist.»
«Das sollte es auch. Schließlich ist es deine Schuld.»
«Ich kann zwar verstehen, wie du auf so einen Gedanken kommst, Margaret, aber damit liegst du trotzdem falsch. In Wirklichkeit trifft genau das Gegenteil zu, aber leider darf ich mit niemandem über die Einzelheiten dieses Falls sprechen.»
«Die Einzelheiten kenne ich bereits.»
«Dann müsstest du auch wissen, dass ich von Anfang an gegen das Anwerben dieses armenischen Arztes war. Ich habe es Annanur erlaubt, weil sie massiv darauf bestanden hat. Als dann die Operation den Bach hinunterging, habe ich sie eindringlich davor gewarnt, diesen Mann zu retten, aber sie hat wieder nicht auf mich gehört. Es tut mir wirklich leid um Anna. Sie war einer meiner Lieblinge. Aber es ist nicht meine Schuld, dass sie jetzt in Schwierigkeiten ist, und ich fürchte, dass ich ihr momentan nur dadurch helfen kann, dass ich mich ruhig verhalte und ihre Tarnung als harmlose Touristin nicht gefährde.»
Margaret schüttelte den Kopf.
«Das ist doch Unsinn», sagte sie. «Natürlich kannst du ihr helfen. Du brauchst nur Hinkle zu sagen, dass er den Russen etwas als Gegenleistung für Annas Freilassung anbieten soll. Sie sitzt in Russland im Gefängnis, verdammt nochmal! Du kannst doch nicht deine Leute da drüben im Stich lassen, bloß weil ihre Rettung dir nicht in den Kram passt. Das hätte ich von dir als Allerletztem erwartet.»
«Ich war doch schon beim Direktor. Um ehrlich zu sein: Er ist derjenige, der darauf besteht, dass wir nichts tun. Von seinem Standpunkt aus betrachtet wäre alles andere ein mittleres Desaster. Anna ist eine unserer verdeckten Agentinnen. Wenn wir sie gegen jemanden austauschen, dann geben wir indirekt zu, dass wir mit solchen Leuten illegal in der Sowjetunion operieren. Und außerdem hat der Fall noch einen Nebenaspekt, der dir möglicherweise entgangen ist.»
«Welchen denn?»
«Dass Annas verrückter Armenier neben seiner Antenne unbedingt auch noch Sprengstoff haben wollte. Der war dann auch in der Lieferung, die wir ihm geschickt haben. Wir können vor den Sowjets unmöglich zugeben, dass wir in eine solche Operation verwickelt sind. Das kann uns Kopf und Kragen kosten. Denk doch bloß mal dran, was der Kongress dazu sagen wird.»
«Was hast du also vor?»
«Der Direktor ist der Meinung, dass wir stillhalten und abwarten sollen. Irgendwann werden die Sowjets sie schon freilassen. Die sind ja nicht blöd.»
«Und teilst du diese Meinung?»
«Ja, das tue ich.»
«Ihr beide seid mir schon ein sauberes Paar, Hinkle und du. Ich dachte immer, du magst ihn
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